Otto Cahnheim
Jahresbericht der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Dresden 1896, Seite 18-19 [FAB-2414]
VII. Sitzung am 9. November 1895.
Herr Cahnheim: Reisen und Erlebnisse auf den Färöern, mit Demonstrationen von Projektionsphotographien.
Auf dem submarinen vulkanischen Gebirgsrücken, welcher von der Westküste von Schottland nach Island zieht, liegt halbwegs der aus 22 Inseln bestehende Inselarchipel der Färöer, von denen nur 16 bewohnt sind. Diese circa 24 Quadratmeilen umfassenden, schroff aus dem Meere emporragenden, durch Kanäle von einander getrennten und durch tiefe und zahlreiche Fjorde stark zerrissenen Eilande, welche, halbvergessen ganz abseits vom grossen Weltverkehr gelegen, fast nie von Touristen ausgesucht werden, hat der Vortragende auf seinen 3 Reisen nach Island kennen gelernt und im Jahre 1894 während eines längeren Aufenthaltes eingehend studiert. Er gewann Einblick in die bemerkenswertesten Lebensgewohnheiten der Insulaner und legte die hervorragendsten Züge der Inselnatur photographisch fest; so wurde der Vertrag von einer Vorführung seiner Bilder mittels des Kalklichtprojektionsapparates in anschaulicher Weise begleitet.
Die Färinger haben noch ihre eigene Sprache, die sich dem Isländischen nähert und haben die guten Eigenschaften der alten Germanen sich bewahrt, namentlich Biederkeit und Gastfreundschaft, auf die der Fremde, da Gasthäuser fehlen, vor allem angewiesen ist. Die Verbindung der Inseln, die jetzt zu Dänemark gehören, 861 von Vickingern entdeckt und besiedelt worden, mit dem übrigen Europa wird durch dänische Dampfschiffe unterhalten, die circa jeden Monat einmal auf ihrer Islandfahrt dort anlaufen, während der Verkehr von Insel zu Insel mittels kleiner Ruderboote, die auch zum Segeln geeignet sind, stattfindet.
Der bis auf die Kuppen der schroffen Felsen hinaufreichende üppige Graswuchs dient zahlreichen Schafherden (von denen die Inseln ihren Namen haben: Färöer — die Schafinseln) zur Nahrung. Das Klima wird durch den vorbei ziehenden Golfstrom viel milder, als mаn nach der hohen Breitenlage der Färber erwarten sollte, so dаss noch Kartoffeln und Gerste, die nicht reif wird, gebaut worden kann. Die Inseln sind аber auch sehr regenreich, denn dаs Jahr hat durchschnittlich 250 Regentage. Bäume giebt es nicht, so muss denn dаs Holz zum Häuserbau u.s.w aus Dänemark und Norwegen importiert werden, ebenso die Birkenrinde, mit der die Dächer gedeckt werden. Ausser Schafzucht sind Fischfang sowie Vogelfang die Haupterwerbszweige der Eingeborenen.
Der Vortragende hat sowohl die östlichste der Inseln — Fuglö — wie auch die westlichste — Myggenäs, besucht, woselbst die Landungen wegen der enormen Brandung und der Steilheit der Klippen und des Ufers nur mit grosser Schwierigkeit und Gefahr bewerkstelligt werden konnten.
Zum Schlüsse gab der Vortragende die Schilderung einer daselbst mitgemachten Jagd auf Finnwale, welche durch Erlegen eines mächtigen 75 Fuss langen und circa 20 000 kg schweren Ungetüms von Erfolg gekrönt war und führte die auf diesem Ausfluge aufgenommenen Photogramme vor, ebenso die Bilder, welche dаs Einbringen des Wales und die endliche Sektion und Ausschlachtung des Tieres veranschaulichten. Man sah erst ganz in der Ferne die Bückenfinne der Wale auftauchen, oder dаs Wild gab sich durch die ausgeworfenen Spritzstrahlen zu erkennen, mаn sah den Moment, in dem ein solches Ungeheuer schussrecht stand und indem der Schütze die circa 80 Pfund schwere Harpune aus der Kanone dem Wale in den Riesenleib schoss; so konnte mаn denn auch genau verfolgen, wie dаs Abspecken, die Verarbeitung des gewonnenen Specks zu Thran, dаs Ausschlachten des Fleisches, welches von den Eingeborenen gern gegessen wird, vor sich geht und wie zuletzt Eingeweide und Skelettteile dem Meere zum Abfaulen übergeben werden, damit die Knochen schließlich zu Guano verarbeitet oder аn Museen zum Aufstellen verkauft werden können.
Nach vierwöchentlichem Aufenthalte schieden der Vortragende und sein Begleiter Dr. Grossmann-Liverpool von den Inseln und gingen nach dreitägiger Dampferfahrt in Leith, der Hafenstadt Edinburgs, аn Land.