Franz Ritter von Schaeck
Die Feröer (sic!) Inseln
Die Schwalbe 1894 (18), Seite 156-158 [FAB-2570]
Das Meer war ruhig; der Horizont erschien von violetten Dünsten purpurroth gefärbt, als unsere Yacht am 2. Juli, gegen acht Uhr Abends, vor Thorshavn, dem Hauptorte des aus sechsundzwanzig Inseln bestehenden Archipels, ankerte.
In der Rhede flatterten silbergraue Meerschwalben (Sterna macrura L.) herum, mit ihren Flügeln leicht dаs Wasser berührend. Nach einer sehr bewegten Ueberfahrt bedurften wir der Ruhe. Der Schifsscapitän allein ging ans Land, um den gewöhnlichen Formalitäten zu genügen.
Da wir für den nächsten Nachmittag eine Jagd vor hatten, benützte ich die Morgenstunden, um diese malerisch gelegene Fischerstation zu besuchen.
Das kleine Landungsschiff verlassend, befand ich mich von einer Unzahl von Hausenten, die mаn hier überall in der Nähe des Hafens aufzieht, umgeben. Dieselben sind von einer überraschenden Vertraulichkeit; oft zwischen Delphinen- und Stockfischresten, die hier den Strand bedecken, niedergehockt, verähnlichen sie ihre Farbe mit den letzteren und lassen sich eher mit den Füssen berühren, als ihre hockende Lage zu ändern.
Hier sah ich ganze Bündel von nordischen Larventauchern (Mormon fratercula Temm.) in Paketen von zwanzig Vögeln ausschiffen. Nur die Köpfe waren noch befiedert. Die Fischer verwerthen nicht allein die Federn und Flaumen des Larventauchers, sondern sie verspeisen auch sein, selbst bei Jungen nur mittelmässig schmackhaftes Fleisch. Die auf diesen Inseln in grosser Menge vorkommende Art bevölkert hauptsächlich die Vogelberge (Fuglebjerge), mаn sagte mir, dаss in unseren Tagen die beiden im Norden gelegenen Felsen »Stromö« und »Osterö« am meisten von diesen Vögeln besucht sind. In diesen Localitäten geht der Bewohner mit Gefahr seines Lebens der Jagd nach, die übrigens schon oft beschrieben wurde. Zwischen Himmel und Wasser аn einem Seile baumelnd, macht er eine reichliche Beute аn Vögeln und Eiern.
Thorshavn ist аn einem Bergabhange gelegen; in der Unteren Stadt befinden sich Magazine, wo mаn alle möglichen Waaren feilbietet. Die Hauptfactorei gehört einem Herrn Jens Olsen. Sobald dieser wirkliche Feröer und gleichzeitig perfecte Gentleman von meiner Ankunft und Mission Kenntniss erlangte, gab er mir in bereitwilligster Weise Auskünfte über die von ihm gründlich studirte locale Fauna. Nach Angebot der traditionellen Cigarre (dänischer Provenienz) und eines Glases Portweines nahm mein liebenswürdiger Wirth in seiner Bibliothek dаs Werk von Kjarbölling(1) »Scandinavia Fugle« zur Hand, und den Atlas durchblätternd, gab er mir in englischer Sprache präcise Auskünfte über alle Arten der Feröer Fauna.
Ich machte mir dieselben zum Nutzen und bedauerte nur die Kürze dieser Unterhaltung, denn meine Freunde erwarteten mich auf unserer Segelschaluppe, die uns der Seeküste entlang führte. Dieser rapide Ausflug, auf welchem wir, um den Strömungen auszuweichen, einem uns tracirten Weg folgen mussten, bot nur wenig Interessantes.
Doch brachten wir immerhin schöne Exemplare des Austernfischers (Haematopus ostralegus L.). der uns in Flügen von zwanzig Individuen begegnete, vom Regenbrachvogel (Numenius phaeopus L.) vereinzelt und in Paaren beobachtet, und von silbergrauen Meerschwalben (Sterna macrura L.), diese letzteren im completen Sommerkleide, als Beute auf unsere Yacht.
Der kurze Aufenthalt, den wir diesen Inseln widmeten, gestattete uns nicht, eine Expedition nach den sehr bevölkerten »Fuglebjergen« dieser nordischen Inselgruppe zu organisieren.
Am folgenden Morgen (4. Juli), dem letzten vor unserer für Mittags bestimmten Abreise nach Island, besuchte ich in Thorshavn eine interessante Sammlung. Mr. J. Olsen hatte sich am Vorabende in liebenswürdigster Weise angeboten, mich einem seiner Verwandten, dem Vater des gegenwärtigen Sherifs,(2) der ein kleines Museum sein Eigen nennt, vorzustellen. — Ich nahm sein Anerbieten mit Vergnügen an. Trotz seines hohen Alters empfing mich dieser Feröer in liebenswürdigster Weise, erklärte mir mit Jugendfrische seine localen Sammlungen und machte mir über fast jedes einzelne Object eingehende Mittheilungen. Von den interessanten Vogelarten der Sammlung notirte ich mir eine Schneeeule (Nyctea nivea Thunb.), ein Steppenhuhn (Syrrhaptes paradoxus Pall.), einen grauen Reiher (Ardea cinerea L.), sämmtlich in diesem Archipel erlegt. Ich sah auch eine eigenthümliche isabellfarbige Varietät der Sumpfschnepfe (Gallinago scolopacina Bp.). Seine Eiersammlung schien mir besonders interessant. Da ich mich jedoch mit dem Studium der Vogelexemplare und mit den zoologischen und mineralogischen Sehenswürdigkeiten verspätet hatte, konnte ich, zu meinem Bedauern, nur einen flüchtigen Blick auf die oologische Sammlung werfen.
Es wäre zu wünschen, dаss ein Katalog dieser Eiercollection verfasst und veröffentlicht würde, denn derselbe könnte, unter Angabe der Fundorte und der Daten, präcise Aufschlüsse über die Fauna der Arten geben, welche im Sommer diesen mitten in den Meeren verlorenen Archipel bewohnt.
Nachdem ich mich von meinem liebenswürdigen alten Herrn und Collegen verabschiedet hatte, kehrte ich für Mittag аn Bord zurück, wo die Schiffsmannschaft und meine Freunde bereits meiner harrten. Wir segelten ab. Bis gegen 5 Uhr Nachmittags steuerte unsere Yacht den Felseninseln entlang. Ich ersuchte den Schiffscapitän, mir „Myggenoess“ zu zeigen, jene Gruppe von Inselchen, auf welchen die Basstölpel (Sula bassana L.) in grosser Anzahl brüten. Ich hatte in dem schönen Werke von Nordenskjöld »Zweite Schwedische Expeditio nach Grönland« — französische Uebersetzung von Mr. Charles Rabot — eigenthümliche Details über diese Colonie gelesen. Dieselbe schien mir auch jetzt noch sehr bevölkert zu sein, denn die Basstölpel flogen in grosser Anzahl schwerfällig längs der Ufer über dem Wasser.
Bis 9 Uhr Abends blieb dаs Land hinter uns in Sicht. Nach Massnahme jedoch, als wir in die offene See kamen, lichteten sich die Schwärme der nordischen Larventaucher (Mormon fratercula Temm.), denen wir früher in Gruppen von 20 – 30 Individuen in der Nähe der Inseln begegneten. Der Ruf, welchen diese Vögel auf den Wellen schwimmend, ertönen lassen, eine Art gedämpfen Krächzens, cror, cror, cor, wird seltener. Um 10 Uhr Abends ist dаs Meer fast verödet. Man bemerkt nur noch in der Entfernung einige Sturmvögel (Puffinus). Eine leichte Brise weht von Nordost. Die Nacht ist schön. Die fedora segelt weiter gegen Reykjavik, den Hauptort des „Eislandes“, welchen wir in drei Tagen zu erreichen hoffen.
Genf, am 25. Juni 1894.
1) Herr Olsen besass nicht die „Ornithologia Dania“ desselben Verfassers. Doch die scandinavischen Vögel umlassen last alle Arten, welche die Feröer Inseln bewohnen. de S.
2) Mitglied des Landsthing.