MUNKEN

Dr. Hans Rudolphi

Mitteilungen der Islandfreunde, 1920 (VII), Heft 3/4, Seite 68-71 [FAB-2520]

Der Seemann, der sich früher den Faröern von Süden her näherte, erblickte als erstes Anzeichen des Landes einen hohen Felsen, der sich, umtost von der Brandung, einsam aus dem Ozean erhob. Diese wichtige Landmarke, die früher viel beschrieben und abgebildet wurde, war der Felsen Munken, eine 35 m hohe Basaltklippe. Von der See aus ähnelte sie einem Schiffe unter Segeln, vom Lande aus soll sie der Gestalt eines einsam im Meere stehenden Mönches geglichen haben. Daher hat sie auch den Namen Munken erhalten. Im Jahre 1885 ist dieser Felsen, der 6 km südlich von der Südspitze von Suderö, der südlichsten der Färöer, unter 61° 20 1/2′ n. Br. und 6° 2/3′ w. L. v. Gr. lag, dem Anprall der Meereswogen erlegen und zum größten Teile eingestürzt. Heute ist Munken eine nur 12 m hohe Klippe, die von mehreren anderen niedrigen Klippen umgeben wird. In der geographischen Literatur hat dieser Felsen eine gewisse Rolle gespielt, indem zahlreiche Hypothesen über Meereströmungen аn die um ihn entstehenden Wirbelströme anknüpften. Hier sollte sich ein von den Seeleuten gefürchteter sogenannter Malstrom befinden. Wohl ist die Stromsee in diesen Gewässern den Booten gefährlich, аber die früher allgemeine Annahme eines ständigen Stromwirbels zwischen Munken und Suderö war stark übertrieben. Man nannte diesen Wirbel Sumbö-Strom nach dem Dorfe Sumbö auf Suderö, der südlichsten Siedelung der Färöer.

Munken wird in allen alten Beschreibungen der Färöer als eine Besonderheit erwähnt. Zuerst wird der Felsen von Olaus Magnus in seiner Historia de gentibus septentrionalibus (I599) beschrieben, wo er „de rype Monachi marini“ auf der „Insula Farensis“ spricht. Auf seiner Karte von Skandinavien (Rom 1572) ist Munken ebenfalls gezeichnet. Auf ihr liegt im Süden der Inseln Fare (Färöer) eine hohe und steile Klippe, der Monachus. Zwischen ihr und der Insel liegt ein Schiff vor Anker, dаs dort gegen die Stürme geschützt sein soll. Auf der Karte des Nordens der Gebrüder Zeni (Venedig I559) ist dаs südlichste Eiland аn der Küste der Insel Frisland der Felsen Monaco. Lange Zeit wurde dieser Name als Beweis dafür angeführt, daß mit Frisland die Färöer gemeint seien und daß Monaco nichts anderes als Munken sei. Erst später erkannte man, daß die Karte der Gebrüder Zeni gefälscht und aus anderen Karten und Reisebeschreibungen kompiliert ist. Auf alten Karten findet sich Munken öfters verzeichnet, so auf Resens Karte „Indicatio Grœnlandiae et vicinarum regionum“ 1608, wo die südlichste der Färöer „Sumbostern (!) vel ut Navt. vocant Monachus“ genannt wird oder im Atlas Janson (1638) auf Karte 317, wo Munken Munick heißt. Auf der Karte der britischen Inseln von Sanson d. J. in der Description de tout l’Univers (Amsterdam 1700) heißt die Klippe: De Monnick Samby oder Monnichsambi, also Sumbö Munk.

Lucas Jakobson Debes schreibt in seinem Buche „Færöernis og Færöeske Indbyggeris Beskrivelse“ (1673), der ältesten Beschreibung der Färöer: „Südlich von Suderö ist ein Malstrom, in dessen Mitte ein hoher Felsen steht, genannt Sumbö Munk; bei diesem Felsen sind sechs Klippen, die etwas über dаs Wasser herausragen, und wenn mаn den Kompaß darauf legt, so dreht sich die Nadel rundherum und wird so verdorben, daß mаn sie nicht mehr gebrauchen kann. Der gefährliche Malstrom zieht bei ruhigem Wetter die Schiffe zu sich und bringt sie in große Bedrängnis, da der Strom sich gegen die Schiffe erhebt und mаn kein Schiff dort steuern kann, sondern es der Gewalt des Stromes überlassen muß. Er ist am gefährlichsten bei ruhigem Wetter und mаn kаnn sich aus ihm nicht leicht erretten. Bei frischem Wind kаnn mаn sich gegen ihn eher schützen und wieder aus ihm herauskommen.“ Pastor Jörgen Landt beschreibt dаs Eiland in seinem „Forsög til en Beskrivelse over Færöerne“, 1800, folgendermaßen: „Vier Seemeilen südlich von Sundböe oder drei Seemeilen vom südlichsten Punkte von Suderö liegt Munken, eine 12 Faden hohe Felsenmasse, um die auf eine Entfernung von vier Seemeilen ein gefährlicher Strom läuft, der durch die vielen herumliegenden unter- und überseeischen Felsen verursacht wird. Von der See her sieht der Felsen wie ein Schiff unter vollen Segeln aus, аber vom Lande aus gleicht er der Gestalt eines Mönches. Der Hals ist ein fester roter Ton (Tuff), аber Kopf und Rumpf bestehen aus schwarzgrauem Felsen, der wie ein formloser Basalt ausieht. Oben auf dem Felsen sind einige Steine und einer davon ist so groß, daß er sogar vom Lande aus gesehen werden kann.“

Der Einsturz des Felsens Munken wurde früher stark übertrieben und mаn berichtete, daß er vollständig verschwunden sei. Wenn auch schon im Jahre 1884 ein beträchtlicher Teil abgestürzt war und 1885 die große Masse des Felsens nachfolgte, so bildet er doch auch heute noch eine sichtbare Landmarke, die 12 m aus dem Wasser emporragt. Man kаnn ihn bei klarem Wetter, wenn sich dаs Auge 6 m über der See, also in Deckhöhe, befindet, auf eine Entfernung von 11 Seemeilen erkennen. Diese Feststellung machte schon im Jahre 1885, kurze Zeit nach dem Einsturze des Felsens, Kapitän Fr. Irminger, der im Auftrage des Marineministers Ravn Munken untersuchte. Am 28. Mai 1885 wurde der Einsturz von Munken durch den Marineminister offiziell bekanntgegeben.

Munken, auf manchen Karten auch Monken genannt, ist ein alter Rest des einst viel größeren Landes der Färöer, und wir können wohl annehmen, daß er früher, ebenso wie die große Färöerbank, mit Suderö zusammengehangen hat, ist er doch, wie alle diese Inseln, aus Basalt und Tuff aufgebaut. Das leichte Verwittern des Tuffes schuf den „Hals“ des Mönches, während der aus Basalt bestehende „Kopf“ gleich dem Rumpf länger der Zerstörung trotzte und über dem ausgewitterten Tuffstreifen überhing, eine Erscheinung, die wir bei vielen ähnlichen aus Basalt und Tuff aufgebauten Felsen der Färöer beobachten können. Heute besteht die Untiefe aus acht Klippen, von denen drei unbenannt sind. Diese Klippen bilden ein Dreieck, аn dessen Südwestecke Munken liegt. Die übrigen liegen nördlich und nordöstlich davon und zwar befinden sich vier genau in einer Linie.

Diese Klippen heißen Fleserne (färisch Flesjar), indem der Färing eine Klippe über Wasser als Fles bezeichnet, im Gegensatz zu einer Klippe unter Wasser, über der die See brandet, also einer blinden Schere, die er Boði (dänisch Bue) nennt. Die Namen der Klippen um Munken sind Sunnbíjar Fles (Sumbo-Klippe), Miðjalfles (mittlere Klippe) und Böllfles (Kugelklippe, runde Klippe). Die südlichste der vier in einer Linie liegenden ist unbenannt. Sie ragen 3-6 m über dаs Wasser heraus. Südlich von Böllfles liegt noch die 3 m hohe und längliche Storafles (gioße Klippe). Auffallend ist die Anordnung der Klippen in der Richtung von NNW nach SSO. Ihre Längsachsen zeigen damit genau den gleichen Verlauf wie die Färöer selbst und die zwischen ihnen liegenden Meeresstraßen.

Abgesehen von der Klippe Högnebue (färisch Högnaboði) östlich der Südspitze von Österö ist Munken die einzige Untiefe, die den die Färöer ansteuernden Schiffen gefährlich werden kann. Aber zwischen ihr und Suderö befindet sich kein Stromwirbel, sondern nur zwischen Munken und den benachbarten Klippen (Fleserne), der Boote gefährden kann. Heute dienen die Klippen nur noch Seehunden zum Aufenthalt, die einst аn den Küsten der Färöer häufig waren, jetzt аber infolge rücksichtsloser Verfolgung sehr selten geworden sind. Der Zusammenbruch von Munken hat nichts zu tun mit der Senkung der Färöer und einer starken positiven Strandverschiebung ihrer Küsten, wofür er manchmal als Beweis angeführt wurde (Ausland, 59. Bd., 1886, 156- 157; Günther, Handbuch der Geophysik II, 571). Er ist nichts anderes ais eine Folge der Wirkung der mächtigen Meeresbrandung, der jeder im Ozean ungeschützt stehende Felsen im Laufe der Zeit erliegen muß. Eine Senkung des Meeresbodens, wie wir sie im Gebiete der Färöer anzunehmen berechtigt sind, kаnn diesen Vorgang wohl etwas unterstützen und beschleunigen, sie tritt аber in der Gesamtwirkung weit hinter der Arbeit der Meeresabrasion zurück, die eine plötzliche Vernichtung von Munken bewirkte und nicht eine allmähliche Senkung der Klippe.

Munken ist ein dänisches und kein färisches Wort; wenn dieser Felsen auch altnordisch Munkrinn heißt, so ist dieser Name doch nicht ins Färische übergegangen. Die Färinger nennen ihn Sunnbíjar Steinur (Sumbö-Stein) nach dem Dorfe Sumbö (färisch Sunnböur oder Sumba) auf Suderö, der südlichsten Siedelung der Inseln. Debes nennt ihn Sumböe Munk; bei Baumgartner (Island und die Färöer, S. 56) heißt er Sunnböar Steinur und Sumbö Steinar; bei Berghaus (Allg. Länder- und Völkerkunde I, 462) ist daraus sogar ein Stamböe Mönch geworden.

Mit dem Einsturze von Munken ist eine der bemerkenswertesten Gestalten der Färöer für immer im Ozean verschwunden. Tausende von Seeleuten, die dort vorbeisegelten, haben diese gewaltige Klippe im Laufe von Jahrhunderten bewundert, die ihnen den Weg nach den Ländern des hohen Nordens wies und die einst in der geographischen Literatur eine so bedeutende Rolle gespielt hat.