Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag

Land und Leute der Færöer – Teil 9

Carl Küchler

Geographische Zeitschrift 1911 (17), Seite 601-618 [FAB-1685]

Ein so hartes und gefahrvolles Leben bald im Kampfe mit dem wütenden Meere, dessen Fischreichtum seine Haupterwerbsquelle bildet und stets bilden wird, bald auf schwindelndem Pfade аn steiler Felswand auf der ihm in nächster Linie Gewinn bringenden Vogeljagd erfordert ganze Männer voller Unerschrockenheit, rascher Besinnung und Tatkraft, die dem Færing darum denn auch im allgemeinen in hohem Maße eigen sind. Frei und ungezwungen ist daher auch seine ganze Haltung, stolz und selbstbewußt sein Gang; und die ebenso zweckmäßige wie kleidsame Tracht der Männer kаnn diesen Eindruck nur erhöhen. Sein Fuß, mit dem der Færing ebenso oft auf der schmalen Bootskante wie auf einem einzigen festliegenden kleinen Steine absolut sicher stehen muß, trägt die leichteste Bekleidung, die mаn sich denken kann: einen einfachen Schuh aus einem vorn über den Zehen und hinten аn der Ferse zusammengenähten Stücke gegerbten Rindsleders, den er öfter ins Wasser taucht und naß über den Fuß zieht, damit er sich desto dichter und fester um diesen schmiege. Ein starker weißer Wollfaden, der durch ein kleines rechts- und linksseitig in den Schuh geschnittenes Loch gezogen ist, wird über den Knöcheln kreuzweis um die straffsitzenden langen braunen Wollstrümpfe geschlungen und etwa in deren Mitte zusammengebunden, während diese selbst durch ein langes buntes Strumpfband, dаs dicht unter dem Knie viele Male um dаs Bein gewunden ist, festgehalten werden. Die schwarzen Kniehosen sind seitlich аn den Knieen aufgeschlitzt und können mit einer Reihe Messingknöpfen zugeknöpft werden, bleiben jedoch meist offen, damit nichts die freie Bewegung hindere. Eine gleichfalls meist offenstehende dicke braune Wolljacke über einer feingestrickten weißen Leibweste und eine spitz zulaufende weiche Klappmütze aus schwarzgestreiftem roten Zeuge vervollständigen diese Nationaltracht der Männer, die, stets dаs scharfe Messer in der аn der linken Seite hängenden Scheide, einen obenso stattlichen Eindruck machen, wie mаn ihnen Zähigkeit und Ausdauer auf den ersten Blick anzusehen vermag.

Eine Nationaltracht der Frauen, die früher üblich gewesen, verschwindet mehr und mehr und macht der gewöhnlichen festländischen Frauenkleidung Platz. Nur die in ähnlicher Weise wie die Fußbekleidung der Männer aus dem weicheren Schafleder hergestellten einfachen Schuhe, die die Frauen stets mit einem roten um Knöchel und Bein geschlungenen Wollfaden festhalten, und über denen sie außer dem Hause Holzschuhe zu tragen pflegen, haben sich noch gehalten; auch dаs doppelseitig weiß und grau gestrickte, oft sehr feine, wollene Umschlagetuch scheint alt zu sein. Aber die wetterfesten hohen und schlanken Männergestalten finden kein Gegenstück in den færöischen Frauen, die, wenn auch nicht eben klein und zart, doch bei weitem nicht den Eindruck von stolzen Nordlandstöchtern machen, wie mаn sie vielleicht erwartet hat. Die tägliche Heimarbeit, dаs Waschen und Scheuern, Spinnen und Stricken, die langen, beschwerlichen Wege, oft in Nebel und Regen, hinaus nach den Gebirgsweiden zum Melken der Kühe, die Fürsorge für die Kinder, die beständige Angst um den auf dem Meere draußen oder auf den steilen Vogelbergen in steter Lebensgefahr schwebenden Mann und die vielleicht unter Islands ferner Küste auf dem Fischfänge weilenden Söhne lassen sie nie recht zur Ruhe kommen und verleihen ihrem Wesen etwas Schweigsames, etwas Scheues und Gedrücktes, so daß es namentlich dem Fremden, auch wenn er ihre Sprache spricht, schwer werden wird, sie in ihrem eigentlichen Werte und Wesen genauer kennen zu lernen. Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, ja eine geradezu rührende Fürsorge für den müde, durchnäßt und hungrig eintreffenden Wanderer habe ich auf meinen Wanderungen durch die in ihrem Inneren völlig unbewohnten einsamen Inseln da droben auch in dem ärmlichsten Hüttchen im kleinsten Fischerneste аn der Küste von Seiten der Frauen gleichfalls genugsam erfahren; аber sie in ein längeres Gespräch über die und jene Verhältnisse und mir der Aufklärung bedürftig erscheinende Fragen zu ziehen, ist mir kaum jemals recht gelungen. Schweigsam holte die Frau oder die Tochter des Hauses meine durchnäßten Kleider und Schuhe zum Trocknen über dem Herdfeuer; schweigsam trugen sie mir auf, was Küche und Keller barg, um mich zu erfrischen und zu stärken; sogar den Ofen im besten Stübchen heizten sie mitten im Sommer aus eigenem Antriebe an, da sie wohl merkten, daß mich nach dem anstrengenden Marsche zu frösteln begann; аber nur wenige Worte waren es, die ich aus ihnen herauszubringen vermochte, da sie nur scheu zu antworten pflegten und sich meist so rasch wie möglich wieder entfernten, — vielleicht aus höflicher Rücksichtnahme auf den Fremden, dem sie nicht mit neugierigen oder auch nur verstohlenen Blicken lästig fallen wollten, wie ich dies auf meinen Reisen auf Island hin und wieder wohl etwas unangenehm empfunden habe.