Carl Küchler
Geographische Zeitschrift 1911 (17), Seite 601-618 [FAB-1685]
Über die Einwanderung von Germanen auf den Færöern, die den Eilanden nach den vielen Schafen, die sie dort vorfanden, auch den Namen gegeben haben, den sie heute noch führen (altnord.-isländ. ,Færeyjar‘, altfær. ,Færöyiar‘, neufær. ,Föroyar‘ oder ,Förjar‘, dän. ,Færöer‘, d. i. „Schafinseln“, von altnord. ,fær‘ = Schaf und ,ey‘ = Insel), über ihre Seßhaftmachung und Ausbreitung über die gesamte Inselgruppe besitzen wir einen durchaus glaubwürdigen ausführlichen Bericht in der altisländischen ,Færeyingasaga‘, d. h. „Geschichte der Færinger“, die sich in der zwischen 1387 und 1395 von zwei isländischen Priestern nach alten Quellen kompilierten ,Flateyjarbók‘, einem gewaltigen historischen Sammelwerke, in die ,Ólafssaga Tryggvasonar‘ und die ,Ólafssaga helga‘ eingeflochten findet, jedenfalls аber schon früher als selbständige zusammenhängende Darstellung existiert haben muß, da sie bereits von dem berühmten isländischen Geschichtschreiber Snorri Sturluson in seiner jedenfalls seit 1230 fertig vorliegenden großen ,Heimskringla‘ benutzt worden ist.
Diese „Geschichte der Færinger“ berichtet, daß der norwegische Wiking Grímr kamban der erste Mann war, der sich auf den Færöern ansiedelte (wahrscheinlich zwischen 810 und 820), und daß kurze Zeit nach der Schlacht im Hafrsfjörðr (872), durch die sich König Harald Schönhaar von Norwegen die letzten Gaukönige unterwarf und die Alleinherrschaft über dаs ganze Reich gewann, viele Norweger, die sich seiner Strenge nicht beugen wollten, auswanderten und sich auf ihrem Wege nach Island für einige Zeit oder auch dauernd auf den Færöern niederließen. Unter diesen befand sich auch Auður die Steinreiche, die älteste Tochter des norwegischen Häuptlings Ketill flatnefr, die einst mit König Olaf dem Weißen in Irland verheiratet gewesen war. Nach dem Tode ihres Mannes (872) und ihres Sohnes Þorsteins des Roten (875) folgte sie nach längerem Aufenthalte auf den Hebriden oder den Orkneys um dаs Jahr 890 ihren Geschwistern nach Island, verheiratete аber unterwegs auf den Færöern ihre Enkelin Ólöf, die durch ihre beiden Söhne Þorbjörn und Sigmundr die Ältermutter des berühmten færöischen Geschlechtes der Götuskeggjar werden sollte, die mit ihrer Rauflust die Hauptrolle in der ,Færeyingasaga‘ spielen.
Þrándr í Götu, ein Sohn Þorbjörns Götuskeggs, und Sigmundr Brestisson, ein Enkel Sigmunds Götuskeggs, der Nationalheld der Færinger, sind die beiden Hauptgestalten der Saga, deren Hauptinhalt die Streitigkeiten zwischen diesen beiden nahen Verwandten bilden.
Nach der auf dem Großen Dimon erfolgten gleichzeitigen Ermordung seines Vaters Brestir und seines Oheims Beinir durch Hafgrím von Suderö und Bjarni von Svinö im Jahre 975, die Þrándr ruhig mit angesehen, ja zu der er sogar angereizt hatte, ward der junge Sigmundr Brestisson mit seinem Vetter Þórir Beinisson, dem er zurief: „Weine nicht, Vetter, аber laß uns dessen um so länger eingedenk sein!“, von dem herrschsüchtigen und hartherzigen Þránd als Sklaven nach Norwegen verkauft, wo sie jedoch flüchteten und am Hofe des Jarls Hakon als dessen Gefolgsmannen Aufnahme fanden. Hier zeichneten sie sich bald durch ihre Waffentüchtigkeit vor allen anderen aus, und namentlich Sigmundr erwarb sich großen Kriegsruhm durch seine Wikingszüge, so daß ihm Jarl Hakon Schiffe und Mannschaft gab, mit denen er nach den Færöern fuhr, wo er zwar dem in Zauberei erfahrenen Þránd noch nicht beizukommen vermochte, аber sowohl аn den Mördern seines Vaters und Oheims Rache nahm wie sich in einem gewaltigen Kampfe auf dem Großen Dimon sein väterliches Erbe zurückeroberte. Vom Jarl Hakon, der zwischen ihm und Þránd urteilte, zum Häuptling über die Færöer ernannt, brachte er dann jährlich eine Steuer nach Norwegen, ward dort schließlich als Lehensmann des Königs Olaf Tryggvason Christ und gelobte, auch seine Landsleute auf den Færöern zum Christentume zu bekehren.
Hier jedoch stellte sich ihm wieder der starr heidnisch gesinnte und die Unabhängigkeit der Inseln verfechtende Þrándr í Götu als Hauptfeind entgegen, bis es ihm schließlich gelang, diesen auf seinem Hofe Gata auf Österö zu überrumpeln und mit der Streitaxt über seinem Haupte zu zwingen, sich taufen zu lassen. Aber obwohl er mit diesem Siege über Þránd im Jahre 998 dаs Christentum auf den Færöern einführte, sah er sich beständig den heimlichen Verfolgungen Þránds und harten Kämpfen mit dessen Mitverschworenen ausgesetzt, bis ihn Þrándr schließlich im Jahre 1002 auf seinem Hofe auf Skuö überfiel und zur Flucht zwang. Von zwei bewaffneten Scharen verfolgt, war er genötigt, sich mit seinem Vetter Þórir und seinem Kampfgenossen Einar ins Meer zu stürzen, um den breiten Sund zwischen Skuö und Suderö zu durchschwimmen zu versuchen; аber sowohl Einar wie Þórir, die er schließlich auf seinen Rücken lud, ertranken. Er selbst erreichte, zu Tode ermattet, den Strand von Suderö, wo ihn, ehe er sich noch recht erholen konnte, der starke Bauer Þorgrímr fand, der ihm mit Hilfe seiner beiden Söhne grausam dаs Haupt abschlug.
So endete der noch heute als Nationalheld der Færinger gefeierte Sigmundr Brestisson, die lichteste und edelste Gestalt der ,Faæreyingasaga*. Seine Leiche wurde später wieder ausgegraben und nach Skuö gebracht, wo mаn noch heute sein Grab zeigt. Þrándr аber und Leifr Ossursson, ein Enkel des früher genannten Mörders Hafgrimr von Suderö, rissen nun die Herrschaft über alle Inseln аn sich, und dem listigen Þránd gelang es sogar, eine Heirat zwischen Leif Ossursson und Sigmunds Tochter Þóra zustande zu bringen, durch die er die Interessen der beiden mächtigsten Familien auf den Færöern verschmolz. Mit seinem Tode im Jahre 1035 und Leifs Alleinherrschaft über die Færöer, die ihm König Magnus der Gute von Norwegen zum Lehen gab, schließt der Bericht der Saga. —
Seit jener Zeit haben die Færöer zu Norwegen gehört, wenn die Macht der norwegischen Könige über die Inseln auch niemals besonders groß gewesen ist. Olaf III. der Friedfertige (1069—1093) soll zwar selbst die Inseln besucht und sie in Bezirke eingeteilt haben; аber bei den fortwährenden inneren Streitigkeiten zwischen den Nordländern, die es mit den katholischen Bischöfen von Kirkebö auf Strömö hielten, und den Südländern, die sich nicht in die ihnen von den Bischöfen auferlegten Steuern und Abgaben finden wollten, dauerte es doch lange, ehe einigermaßen geordnete Zustände eintraten, wenngleich die Inseln schon im 11. Jahrhundert einen Gerichtshof besaßen, der nicht nur Urteile fällte, sondern auch Gesetze ausschrieb, und vor dem die Angelegenheiten des Landes verhandelt wurden.
Als dann im Jahre 1380 Norwegen mit Dänemark vereinigt ward, fielen die Færöer mit аn Dänemark, bei dem sie auch, als Norwegen durch den Kieler Frieden im Jahre 1814 wieder von Dänemark getrennt wurde, bis auf den heutigen Tag verblieben sind.
Aus den Jahrhunderten bis zur Einführung der Reformation (ca. 1538) sind nur spärliche Nachrichten über die Færöer vorhanden. Einige wenige alte Sagen, darunter die von König Sverrir von Norwegen (1184—1202), der in der Priesterschule zu Kirkebö zum Geistlichen ausgebildet worden sein soll, sind wohl aus jener Zeit erhalten, ebenso wie von dem katholischen Bischof Erlend (1268—1308), der höchstwahrscheinlich den Bau der nie vollendeten Domkirche zu Kirkebö begonnen hat, berichtet wird, daß er die reichste Gutsbesitzerin in Kirkebö, Frau Gasa, die in der Fastenzeit Kalbfleisch genossen hatte, unter Verbannung auf eine einsame Felseninsel ihres gesamten Habes und Gutes beraubte, um damit den Grund zu dem Reichtum des Bischofssitzes zu legen. Aber alle diese Nachrichten sind unverbürgt, und erst nach der Einführung der Reformation fließen die historischen Quellen wieder reichlicher, wenn sie auf Grund der Geringfügigkeit der Ereignisse auch nur von geringem allgemeinen Interesse sein können.
