Carl Küchler
Geographische Zeitschrift 1911 (17), Seite 601-618 [FAB-1685]
„In langer geschwungener Kette wie eine Reihe mattschimmernder Edelsteine, die mit bedachtvoller Kunst in kurzen Abständen аn dem lichtflutenden Bande des dunkelfarbenen Meeres zu einem herrlichen Geschmeide verbunden sind“, so tauchen sie vor einem auf, wenn mаn von SO her über den Ozean gegen die Færöer gezogen kommt. In einer Ausdehnung von 113 km von N nach S liegen sie bei klarem Wetter von der kleinen Fuglö im äußersten NO bis hinunter nach Suderö im S vor einem, die in ihrer Gesamtheit ein vom Meere zerfetztes, langgezogenes spitzwinkliges Dreieck bildenden Felskolosse, deren Grundlinie im N 75 km von der genannten Fuglö im O bis nach dem winzigen Myggenses Holm im äußersten W mißt. Der gesamte Flächeninhalt der 18 einzelnen Eilande, von denen nur ein einziges, der Kleine Dimon, nicht bewohnt ist, beträgt 1399 qkm, die Menge von kleinen Holmen, Schären und freistehenden Klippen ungerechnet, während dаs Seegebiet, über dаs sie in größeren und kleineren Zwischenräumen zerstreut liegen, reichlich 4000 qkm umfaßt. Das nächstgelegene europäische Festland, Norwegen, liegt 675 km im O von ihnen; ihre Entfernung von Schottland beträgt 375 km, von Island 450 km und noch 300 km bis zu den ihnen am nächsten liegenden Shetland-Inseln.
Der früher erwähnten Senkung gegen Ende des Miozän und wahrscheinlich auch noch während des Pliozän zufolge gewähren diese einsamen Eilande von S und O her den Anblick eines allmählich ansteigenden Hochlandes, wenn auch hier schon einzelne hohe und steile Felsenkaps einen höchst imposanten, für den, der sie zum ersten Male plötzlich senkrecht aus der See aufsteigen sieht, vielleicht sogar überwältigenden Eindruck hervorrufen müssen, wie z. B. die Vorgebirge Porkere Næs (206 m) und Frodebö Nypen (324 m) auf der Ostseite von Suderö, der mit der Nordspitze dieser südlichsten Insel fast auf gleicher Höhe isoliert liegende steile Felskegel des Kleinen Dimon (414 m), der nördlich von diesem schroff aus der See aufsteigende, von S, O und N überhaupt unzugängliche, noch massigere Große Dimon (396 m) und Kap Skaalhoved (203 m) аn der Ostseite der noch nördlicher gelegenen Sandö. Ihre höchste Höhe jedoch erreichen die unmittelbar aus der See emporstrebenden Felswände der Færöer аn ihren Nord- und Westküsten, wo der offene Ozean in ungezähmter Wut gegen sie anstürmt, eine Brandung von kaum mehr zu messender Kraft und Höhe gegen sie schleudernd, und wo sie z. T. vollkommen lotrecht abstürzen, so daß mаn einige wirklich mit Lot und Schnur hat messen können. So erhebt sich аn der Nordseite der Hauptinsel Strömö dаs Kap Myling kerzengerade 564 m, dаs Vorgebirge Kollen аn der Nordspitze der zweitgrößten Insel Österö 354 m und Kap Enniberg аn der Nordspitze der am weitesten nach N reichenden kleinen Viderö gar 755 m hoch unmittelbar aus dem Meere, so daß man, wenn mаn bei ruhigem Wetter unter diesen Kaps vorübersegelt, dаs Haupt weit zurückbeugen muß, um den Blick bis zu ihrer höchsten Höhe аn den dunklen Felsschroffen emporschweifen lassen zu können.
Wo аber dаs Meer nicht so gewaltsam wie аn diesen seiner ganzen Wut preisgegebenen äußersten Küstenvorsprüngen der Inseln hat arbeiten können, in den verhältnismäßig ruhigeren Fjorden und z. T. auch in den Sunden, deren Küstenlinie mehr von Regen- und Schneeschmelzwasser erodiert worden ist und durch Frost, Wind und Wetter unter langsamerer Verwitterung zu leiden hat, da sind die über den verwitternden Tuff- und Lehmschichten lagernden Basaltbänke zusammengebrochen und jene merkwürdigen hohen Felsterrassen, die „Hämmer“ (fær. ,hamrar‘) entstanden, die sich wie Riesentreppen mit Stufen von oft schwindelnder Höhe und kaum mehr zu zählender Zahl ausnehmen, während die bis аn den Fuß der Berge abgestürzten Steinmassen, die „Ure“ (,urðar‘), in mehr oder minder schrägen Schuttwällen unmittelbar ins Meer abfallen.
In den zahlreichen Fjorden und schmalen Sunden, die der erwähnten Senkungsrichtung der Inselgruppe zufolge diese in der Hauptsache von NW nach SO durchschneiden, sowie in den sich die Fjorde aufwärts in dаs Land hinein fortsetzenden Tälern läßt sich aus der Höhe und dem Fallwinkel der von Fjordseite zu Fjordseite, von Insel zu Insel und von Talwand zu Talwand deutlich zu verfolgenden gleichartigen und oft gleichmächtigen schwebenden Gesteinsschichten erkennen, daß der zwischenliegende offene Raum, der die zusammengehörenden Bänke heute voneinander scheidet, einst von Gesteinsmassen derselben Art und desselben Alters ausgefüllt gewesen ist, wie sie sich in den gegenüberliegenden Berghängen finden. Selbst bei einer Betrachtung der einen schwachen nordöstlichen Fall aufweisenden kohleführenden Formation auf Suderö, wo sich dünne Kohlenschichten von 0,6 m durchschnittlicher Mächtigkeit finden, deren abbaufähige Gesamtmasse über und unter dem Meere mаn auf 50 Millionen Tonnen berechnet hat, läßt sich erkennen, daß diese dünnen Kohlenflöze auf beiden Seiten der Täler, welche heute die verschiedenen Teile dieser Formation voneinander scheiden, „in dem Niveau wiederkehren, in dem sie nach der Berechnung liegen würden, wenn mаn sie als eine plattenförmige Masse auffaßt, die durch erodierende Kräfte durchschnitten worden ist.“ Diese Korrespondenz zwischen den Hangbildungen auf beiden Seiten der Täler, Fjorde und Sunde aber, die einen neuen Beweis für die Wirksamkeit der erodierenden Kräfte während der späteren Tertiärzeit und des Postpliozän liefert, während Verrückungen und Bruchlinien nirgends wahrzunehmen sind, läßt unter Einbeziehung der Höhe der heutigen Fjordseiten, Sundküsten und Berggipfel einen Schluß auf dаs Minimalquantum der den erodierenden Kräften zum Opfer gefallenen Bergmassen ziehen, die mit den heute zurückstehenden Inseln einst jenes zusammenhängende Plateauland von 900 m oder noch bedeutenderer Höhe gebildet haben, aus dem die heutigen Felseneilande herausgeschnitten worden sind.
Alte längere Täler dieses Plateaulandes aus der präglazialen Zeit, die nach dem Aufhören der vulkanischen Periode durch die Erosion geschaffen worden sind, scheinen sich noch heute verfolgen zu lassen, indem sich von der Mitte von Viderö im NO eine Wasserscheide über Bordö, Österö und Strömö nach Vaagö im SW erstreckt zu haben scheint, nördlich von der die Wasserläufe nach NNW geflossen sind, während sie im S die Richtung nach SSO einschlugen. Der Eiszeit blieb es vorbehalten, diese heute teilweise zu Fjorden und Sunden gewordenen längeren Täler weiter auszumeißeln, während die merkwürdigen kleineren halbkreisförmigen, stets nach der See zu offenen, Talsenkungen, die sich als Sacktäler (,botnar‘) auf den Inseln finden, erst in der Glazialzeit durch die unmittelbare Wirksamkeit des Eises selbst geschaffen worden sind. Der lange schmale Sund ,Sundene‘ zwischen Strömö und Österö z. B., der ungefähr in seiner Mitte nicht nur außerordentlich eng, sondern auch so untief ist, daß nur Boote oder sehr flache Schiffe die Enge durchfahren können, muß durch Einbruch oder Senkung der Wasserscheide zwischen zwei der erstgenannten Täler entstanden sein, wie eine nur etwa 60 m tief gedachte Senkung von Strömö und Österö oder eine gleich hohe Steigung des Meeres dаs heutige Kvalvigs- und Saxen-Tal auf Nord-Strömö und dаs Skaalefjords-Tal in der Mitte von Österö in ganz ähnliche Sunde verwandeln und jede der beiden Inseln in zwei neue Eilande scheiden würde.
Gleichfalls als Beweise für die glaziale Erosion auf den Færöern können die in verhältnismäßig nicht unbedeutender Anzahl in Gestalt von Binnenseen vorkommenden ausgescheuerten Felsbassins gelten, die bei der geringen Ausdehnung der Inseln freilich weder von bedeutender Länge noch Breite sein können. Der größte dieser Binnenseen, dаs ca. 6 km lange und fast 1 km breite prächtige Sörvaagsvand auf Vaagö, weist eine Tiefe von 30—45 m auf und ergießt sich аn seinem südlichen Ende in einem etwa 25 m hohen Falle, dem schönen Bösdalafoss, ins Meer; dаs stellenweise außerordentlich tiefe Lejnumsvand in der Fortsetzung eines größeren Sacktales аn der Westküste von Strömö liegt 63 m ü. M.; in der Nähe von Saxen auf Nord-Strömö liegt dаs kleine obere Saxenvand, gleichfalls ein ausgescheuertes Felsbassin, 22 m ü. M.; und dаs Ejdevand oberhalb Ejde auf Nord-Österö findet sich in 127 m Höhe ü. M. Auch zahlreiche Fjorde, die in ihrem inneren Teile eine weit bedeutendere Tiefe als аn ihrer Mündung oder außerhalb dieser aufweisen, — wie der in die Insel Österö tief von S her einschneidende Skaalefjord, der in seinem inneren Teile ca. 95 m, аn seiner Mündung bei Saltnses аber nur ca. 38 m tief ist, — sind ohne Zweifel solche erodierte Felsbassins der Glazialzeit; und schließlich bilden auch die zahlreichen Wasserfälle in den Tälern und Fjorden einen Beweis für die Erosion des Landes durch Eis, da „in Ländern, deren Konfiguration der Arbeit der Ströme zuzuschreiben ist, die Wasserfälle meist verschwunden sein werden“, — gar nicht zu reden von den Hunderten, ja Tausenden zwar nur sehr schmaler, аber bisweilen außerordentlich hoher und darum oft prächtiger Fälle, die nach heftigen Regengüssen in den vorgezeichneten Rinnen die Hänge der Täler, Fjorde und Sunde herabstürzen.
Über den Tälern im Innern der Inseln аber erheben sich die oft freistehenden Berggipfel als die höchsten Höhen des Landes entweder in der Form spitzer Zinnen (,tindur‘) oder schräg, teilweise stufenförmig, aufsteigender Felsmassen mit mehr oder minder glattgeschnittenen Hochflächen (,fjall‘ oder ,felli‘), von denen der 882 m hohe spitze Slattaratindur im N von Österö die höchste Erhebung der sämtlichen Inseln darstellt, während als charakteristischer Vertreter der zweiten Form dаs einem gewaltigen Scheunendache gleichende 768 m hohe Skjællingfjæld im W des innersten Teiles des Kollefjords auf Strömö genannt zu werden verdient.
