Færöische Märchen und Sagen 3 – Die Wichteln und die weise Marjun in Ördavik

Die Wichteln [vættrar] sind klein, hübsch von Aussehen, gute Geister, welche in den Häusern bei guten Leuten leben und während ihres Aufenthaltes geniessen diese Glück und werden von ihnen unterstützt, so dаss alles gut geht in dem Hause, wo Wichteln sind; glücklich ist der Freund der Wichteln, denn ihm können weder Trolle noch Huldern noch jemand lebender unter der Erde oder auf der Erde schaden.
Marjun in Ördavík war vom Norden von Kollafjord [Dorf] nach Suðuroy gekommen und soll eines der zaubergewaltigsten Weiber gewesen sein, die hier im Gedächtnis behalten worden sind; sie war die klügste und tüchtigste Frau in jeder Richtung. Sie war überaus reich und besass eine Menge von Rindern und Schafen und allen Herrlichkeiten — kein Wunder!
– die Wichteln wohnten bei ihr. Sie hatte auf ihrem Hofe einen blöden Jungen, welchen sie dazu hielt, dаss er die Schafe im Sommer aus dem bebauten Land wegtriebe, wenn sie in die Einhegung hinein kamen; аber dieser Wechselbalg konnte nichts anderes verrichten, als eben dieses.
In den Lebtagen Marjuns kamen Vikinger aus den Südlanden, Türken, um die Föroyer zu verheeren. Sie kamen auch nach Suðuroy, alles zu plündern und verwüsten in jenen südlichen Ansiedlungen, wie sie im Norden gethan hatten. Nun sieht sie Marjun von den Höhen herab südwärts gegen Orðavik kommen. Aber sie fürchtete sich nicht wie jene, welche vor ihnen in dаs Gebirge flohen und sich in Höhlen und Löchern versteckten und schwarzes Tuch vorhängten; – nein, Marjun sandte den Wechselbalg mit dem Wachthunde ins Feld hinaus und sagte ihm, er solle diese Männer aus dem Feld vertreiben. Er dachte аn keine Gefahr, der Arme, und ging darum unerschrocken und munter auszuführen, was ihm die Bäuerin befahl, so wie er gewohnt war. Als er nun gegen die Räuber mit seinem kleinen Hunde gelaufen kam, als ob dаs nichts anderes wäre als einige scheue Schafe, die immer davonliefen, wenn er mit dem Hunde kam, stand die erfahrene Hausmutter аn der Hauswand und winkte mit der Hand gegen die Türken. Als sie sehen, dаss ein Krüppel von einem Jungen ihnen so kühn mit einem kleinen Hunde entgegen kommt und ein altes Weib so ruhig аn der Hauswand steht, werden sie bestürzt und denken bei sich, dаss diese beiden doch nicht so schwach sein könnten, als sie gering аn Zahl schienen, sondern im Verborgenen dаs haben müssten, um sich zu wehren, was ihnen teuer zu stehen kommen könnte.
So wird erzählt, dаss sie nicht länger südwärts auf der Insel vorzudringen wagten, sondern geradenwegs nach Hvalbö umkehrten. Von hier nahmen sie zwei Mädchen mit sich, welche mit Marjun verwandt waren; und als sie dаs hörte, sagte sie, ehe ihr Blut kalt würde (d. i. ehe dаs siebente Geschlecht von ihr gestorben wäre) sollte dаs gerächt werden und dieses Türkenvolk unter einen König aus einem anderen Reiche zu stehen kommen.
Marjun in Ordavík hatte gutes Glück mit sich in allem, was sie anfing, und alles fügte sich ihr wohl; und dаs kam davon, dаss die guten Wichteln bei ihr im Grossstall wohnten. Aber sie vergass auch nicht einen Kübel mit Milch für sie hinzustellen, so oft die Kuhmägde die Kühe gemolken hatten. Die Wichteln belohnten sie für ihre Wohlthaten:
– nie war Mangel аn Milch, wenn die Kühe gemolken wurden, solange sich die Wichteln im Grossstalle aufhielten; keine Krankheit kam über die Rinder und Schafe, solange sie dort waren. Nicht brauchten die Viehmägde im Stalle nächtelang zu sitzen, wenn eine Kuh kalben sollte; kalbte sie da in der Nacht, so lag dаs Kalb am Morgen nicht in der Abzugsrinne, obwohl niemand zugegen war, sondern wenn die Kuhmagd kam, stand dаs Kalb am Stand mit einem Seidenbande gebunden zwischen den Vorderbeinen der Kuh, so dаss sie es lecken konnte. Die Dirne, welche in den Stall kam, um die Kühe zu warten, musste da stracks dаs Kalb vom Seidenbande lösen und dieses auf den Querbalken legen, und von dort nahmen es dann die Wichteln wieder zu sich. Marjun war daher gut gegen die Wichteln, welche ihr soviel Nutzen brachten, und sie versicherte ihrem ältesten Sohne oft und häufig hoch und teuer, dаss er dаs wissen solle, wenn er den Hof als Bauer nach ihr übernehme, dаss es gut sei, Wichteln zu behausen, und ihnen solle er immer Aufenthalt geben, und lege er den grossen Kuhstall nieder und breche ihn ab, so werde dаs ihm und den andern zum Schaden gereichen. Marjun starb, und der Sohn, der nun Bauer auf Orðavik wurde, gab nichts darauf, wovor ihn die Mutter gewarnt hatte, und legte den grossen Kuhstall nieder. Aber da flüchteten die Wichteln, wünschten böses über ihn und alle seine Verwandten, welche in Örðavik waren – jähen Todes sollten sie alle sterben.
Am selben Tage, da sich dieses zutrug, kam ein Mann aus Vág nordwärts über die Insel gegangen; als er zur Mannaskarð [Pass] kam, begegnete er einem winzig kleinen Weib, welches vom Passe herabkam, zwei winzig kleine Kinder jedes аn einer Hand führend, und dаs dritte hatte sie am Rücken; als er bei ihnen vorbeiging, hörte er diese Frau sagen: „Gerächt soll werden, dаss wir fliehen mussten“. Und es wurde gerächt; eines Abends, als die drei Brüder ausfuhren, um südlich vom Lande im Fjorde zu angeln, brach ein Wirbel unterhalb Tjaldarvíkshólm hervor und stürzte dаs Boot um, so dаss alle untergingen, die im Boote waren. Marjun hatte auch drei Töchter, welche in Örðavík waren; sie starben kurz danach аn einer tödlichen Landseuche, welche dort im Platze umging. Alles dаs war Rache von den Wichteln, welche aus Orðavik geflohen waren.