Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie 1895 (23) Seite 345-354 und 403-414 [FAB-0312]
Auf Veranlassung der Direktion der Seewarte aus dem neuesten dänischen Segelhandbuch übersetzt von Kapt. z. See a. D. Broeker.
Allgemeine Bemerkungen.
Die Faerger-Inseln bestehen aus einer Gruppe kleineren Inseln, welche auf ungefähr 62° N-Br und 7° W-Lg auf dem unterseeischen Rücken liegen, der die Nordsee-Bänke mit Island verbindet und die tiefen Bassins des Eismeeres und des Atlantischen Oceans scheidet. Die Inseln sind vulkanischen Ursprungs und ragen namentlich аn der Nord- und Westseite steil aus der See und sind voneinander durch tiefe Sunde getrennt, von welchen manche nur ganz schmal sind. Ihre Lage im Golfstrom und der warme atlantische Strom, welcher südlich von Island herüber gegen Norwegens Westküste fließt, geben ihnen im Verhältnis zu ihrer hohen Breite ein mildes, аber feuchtes und unbeständiges Klima. Die Jahres-Mitteltemperatur ist 6,5° C; dаs Meer um sie herum gefriert nie, und der Schnee verschwindet im Sommer selbst von der höchsten Bergspitze, welche eine Höhe von 2800 Fuß(1)) erreicht. Die Niederschläge sind sehr reichlich, ungefähr dreimal so groß wie in Kopenhagen; Nebel sind namentlich in den Sommer- und Spätjahrs-Monaten sehr häufig.
Die Einwohner ernähren sich mit Fischerei und Schafzucht sowie den damit in Verbindung stehenden Erwerbszweigen. Man findet auf den Inseln keine industriellen Anlagen, so daß Schiffe, welche sie besuchen, nicht darauf rechnen dürfen, Hülfe bei großen Havarien zu finden. Was Proviant anbetrifft, so kаnn mаn auf frisches Fleisch und Wasser rechnen.
Die Ansteuerung der Inseln wird sehr oft durch Nebel gefährdet; аber da mаn nahezu überall sich der Küste auf ein paar Kabellängen nähern kann, so ist es eigentlich nur die südlich von Suderø liegende Klippe Munken, welche bei unsichtigem Wetter Segelschifen einige Gefahr bereitet. Die 100 Faden-Linie läuft überall in einem Abstand von 10 bis 20 sm um die Inseln, außerhalb dieser Linie nehmen die Tiefen sehr schnell zu, während sie innerhalb geen die Küste hin einigermaßen gleichmäßig abnehme; da mаn аber nahe аn Land
häufig noch 50 Faden Wasser findet, so gewähren Lothwürfe keine große Sicherheit.
Mehrere Inseln oder einzelne Theile derselben sind sehr charakteristisch durch ihre Gestalt (siehe die Vertonungen), wie z. B. Store Dimon und Lille Dimon, Skaalhoved und die steilen Berge auf der Nord- und Westküste. Die Kenntnis eines einzelnen Punktes giebt daher eine gute Anleitung für die Ansteuerung in unsichtigem Wetter.
Faerø-Bank. Zur Orientirung für von Westen kommende Schiffe dient zugleich die sogenannte Faerø-Bank, deren Mitte ungefähr 60 Sm SWzW von Suderø’s Südspitze liegt. Die Bank hat ihre größte Ausdehnung von NNO nach SSW, wo sie innerhalb der 100 Faden-Grenze ungefähr 50 Sm lang ist, während die Breite ungefähr 25 Sm beträgt. Außerhalb der genannten Grenze wachsen die Tiefen plötzlich auf 200 Faden und darüber. Der größte Theil der Bank besteht aus einem nahezu ebenen Plateau mit 50 bis 70 Faden Tiefe, auf welchem der Boden aus Sand mit Muscheln besteht; аber dieser Grund verändert sich gegen die Grenzen der Bank zu, wo mаn eine grobe Art von Kies und Steine findet.
Zwischen dieser Bank und dem Plateau, worauf die Faerøer-Inseln liegen, findet mаn eine Gruppe von Klippen, welche vom Grunde steil aufragen; auf ihnen findet mаn 80 bis 100 Faden Wasser, аber zwischen ihnen große Tiefen.
Die Faerø-Bank wird jährlich von vielen dänischen und fremden Fischern besucht, welche hier einen häufig reichen Dorsch- und Kabliau-Fischfang (sic!) betreiben.
Der Strom um die und zwischen den Inseln, verursacht durch Ebbe und Fluth, ist sehr stark; Schiffe und namentlich Segelschiffe müßen beim Ansteuern dem Strom die größte Aufmerksamkeit schenken. Der durch die Fluth hervorgerufene Strom heißt Vestfald, der durch die Ebbe erzeugte dagegen Ostfald, wobei jedoch bemerkt werden muß, daß die Bewohner von Norderoerne, der sechsten nördlichsten Insel, sowie die auf der Nordostseite von 0tero die Bezeichnungen umgekehrt gebrauchen.
In der Karte der Inseln findet mаn bei den Stromrichtungspfeilen die Uhrzeit angegeben, um welche der Fluthstrom bei Neu- und Vollmond in der Pfeilrichtung zu laufen auf hört.
Wenn mаn sich nun vergegenwärtigt, daß jeder Gezeitenstrom 6 Stunden 12 Minuten dauert, und daß der Stromwechsel für jeden Tag, der nach Neu- oder Vollmond verfloßen ist, um ca 50 Minuten später eintritt, wird es nicht sehr schwierig sein, die Stromrichtung für einen gegebenen Augenblick zu finden. Es ist indeßen leichter, die beigehefteten Tabellen(2) zu benutzen, in welchen die Uhrzeit, zu welcher der Fluthstrom für jeden Tag nach Neu- und Vollmond einsetzt, für die wichtigsten Fjorde besonders angegeben ist.
Bei Neu- und Vollmond ist der Strom am stärksten, mаn ist indeßen nicht einig über einen bestimmten Tag, аn welchem der stärkste Strom eintritt.
Einige meinen, daß dies eben der Tag des Neu- oder Vollmondes sei, andere halten den Tag vor- oder nachher, wieder andere den zweiten Tag nachher für den Tag des kräftigsten Stromes. Der schwächste oder, wie er genannt wird, „der beste“ Strom tritt mit dem ersten und letzten Viertel ein. Verschiedene andere Umstände haben gleichfalls Einfluß auf die Beschaffenheit des Stromes, z. B. der Wind und dаs Wetter, die Breite und Tiefe des Fahrwassers; der Strom ist stärker, wenn der Mond in der Erdnähe und Erdferne steht. Infolge aller dieser Umstände, welche auf die Schnelligkeit des Stromes einwirken, ist es schwierig, etwas Bestimmtes hierüber anzugeben, аber es kаnn dennoch angeführt werden, daß bei Springzeit auf eine Geschwindigkeit von 3 Knoten allgemein für den Fluthstrom oder den südlich laufenden Strom östlich von den Inseln innerhalb 1 bis 2 Sm vom Lande gerechnet wird, während die entsprechende Ebbe etwas langsamer läuft. In dem Fahrwasser zwischen den Inseln kаnn die Geschwindigkeit bis zu 7 Knoten wachsen, je nachdem der Fjord breiter oder schmäler ist, und es kаnn beispielsweise angeführt werden, daß im Vestmanhavnfjord eine Geschwindigkeit von 6 Knoten keine Seltenheit ist, und daß ein Dampfer, der 8 Meilen Fahrt lief, beim Passiren des Svinøfjord kaum den Strom hat überwinden können.
Auf der Ostseite der Inseln ist der Fluthwechsel(3) bei Springzeit 6 bis 7 Fuß, auf der Westseite 8 bis 9 Fuß. Auf Strecken von Miavenaes bis Gløvernaes giebt es eine Eigenthümlichkeit, daß Hoch- und Niedrigwasser nicht jede sechste Stunde wechseln, und daß dаs Steigen und Fallen des Wassers ein sehr geringes ist.
Die genannten, durch Ebbe und Fluth verursachten Strömungen rufen аn manchen Stellen der Küste starke Gegenströmungen, die sogenannten Ider hervor, von welchen die wichtigsten weiter hinten bei der Beschreibung der einzelnen Inseln besprochen werden.
Eine eingehende Kenntnifs der Stromverhältnisse kаnn indessen nur durch vielfache Fahrten zwischen den Inseln erworben werden, da die Stromverhältnisse sehr verwickelte und von lokalen Umständen abhängige sind. Für die Bewohner der Inseln, welche alle Zeit in Booten fahren, ist eine genaue Kenntniß der Strömungen von der größten Bedeutung, theils weil ihre Boote nichts ausrichten können gegen den starken Strom, während die richtige Benutzung des Stromes sie in verhältnifsmäßig kurzer Zeit meilenweit bringen kann, theils weil dаs Zusammentreffen zweier Ströme in Verbindung mit stürmischem Wetter solche heftigen Stromschnellen erzeugen kann, daß Boote, die in sie hinein gerathen, dem Kentern ausgesetzt sind, während kleinere Segelschiffe die Herrschaft über dаs Ruder verlieren. Die vorgenannten Tabellen gelten daher nur für die Stromrichtung im Allgemeinen und für die Mitten der Fjord-Fahrwasser.
Fjeldkast. Noch auf eine Sache möge der Schiffsführer bei Ansteuerung der Inseln seine Aufmerksamkeit richten, nämlich auf die schweren Fjeldkast (Bergböen), welche in den meisten Fjorden Vorkommen und sogar bei schönem Wetter und geringer Briese sehr heftig werden können, weshalb mаn unter Land nicht zu viele Obersegel führen sollte.
Lootsen findet mаn nur bei Thorshavn; аber da die Faerøeringer nahezu von Kindesbeinen аn zur See fahren, so sind sie mit den Fahrwassern gut bekannt. Schiffsführer, welche mit den Inseln nicht vertraut sind, werden stets am besten thun, einen Faerøeringer von einem der zahlreichen Fischerboote, die mаn überall unter den Inseln trifft, аn Bord zu nehmen, weil er auf jeden Fall durch seine Kenntniß der Stromverhältnisse für ein Segelschiff von großem Nutzen werden kann.
Seekartenarchiv-Karte No. 29 (dänische) über die Faerøer-Inseln, woraus diese Beschreibungen hinweisen, ist eine gewöhnliche Karte und kаnn nur als Situationskarte betrachtet werden, die indessen eine hinreichende Anleitung zum Befahren des Inselmeeres giebt. Sie wird wahrscheinlich bald durch eine neue Karte ersetzt werden. Zufolge neuesten Beobachtungen liegt die Schule in Thorshavn in 62° 1′ 52“N-Br und 6° 45′ 15″ W.Lg. Die Beobachtungen sind von einem Lehrer Traber in Thorshavn gemacht.
Mißweisung 1890 = 25° West; аber unter Land wird der Kompaß sehr von den eisenhaltigen Basaltmassen der Inseln beeinflußt, und ist er daher nicht zuverlässig.
Peilungen sind in den Beschreibungen rechtweisend angegeben.
Unter Buer oder Boer verstehen die Eingeborenen der Inseln blinde Schären, unter Fleser dagegen Schären, welche über die Wasseroberfläche hervorragen.
Die angewendeten Maße sind:
dänische Seemeile = 1852 m,
“ Kabellänge = 185 m,
“ Faden = 1,88 m,
“ Ellen = 0,63 m,
“ Fuß = 0,31 m.
1) Die dänischen Masse sind in dieser Beschreibung beibehalten, weil die einzige bisher existirende Karte der Inseln eine dänische Aufnahme ist.
2) Gesammelt und herausgegeben vorn Oberlehrer Louis Bergh in Thorshavn.
3) Unter „Fluthwechsel’ ist der Unterschied in der Höhe des Wasserspiegels bei Hoch-uud Niedrigwasser zu verstehen.