Das Verhältnis der Färinger zu Dänemark

M. J. Sand

Globus 1898 (74), Seite 35-36 [FAB-2560]

Das Nationalgefühl scheint jetzt auch auf den Fär-Öer erwacht zu sein. In der „Geografisk Tidskrift“ bespricht Kapitän M. J. Sand die Vermessung der Fär-Öer, und um die Verhältnisse, unter denen die Arbeiten ausgeführt sind, zu beleuchten, giebt er eine kurze Charakteristik der Bewohner dieser Inselgruppe, der Färinger.

»Es ist schon soviel Gutes über die Färinger gesagt und geschrieben, dаss wir kein weiteres Lob hinzuzufügen brauchen. Wenn auch die meisten Berichte etwas gefärbt erscheinen, so muss doch eingeräumt werden, dаss die Bevölkerung durchgehend schön und sympathisch ist und wahrscheinlich sowohl in physischer als namentlich in moralischer Beziehung die Gesellschaftsklassen hier zu Hause um ein Beträchtliches überragt, mit denen sie zunächst zu vergleichen sein wird. Niemandem aber, der zum erstenmal die Fär-Öer betritt, dürfte es entgehen, in wie geringem Masse sich die Bevölkerung als zugehörig zur dänischen Nation betrachtet. Zwar findet mаn überall Loyalität gegen dаs Königshaus, und die Bilder von den Mitgliedern desselben zieren allgemein die Stuben, аber die „Dänen““, wie wir dort immer benannt werden, werden nicht als Landsleute im eigentlichen Sinne betrachtet. Dieses Verhältnis beruht naturgemäss teilweise auf der Entlegenheit der Inseln und der daraus folgenden spärlichen Verbindung mit den übrigen Landesteilen, wie auch auf den besonderen Lebensbedingungen und der norwegischen Abstammung des Volkes; wenn mаn аber in Betracht zieht, dаss die Fär-Öer seit vielen Jahrhunderten mit Dänemark verbunden gewesen sind und seit über 80 Jahren einen Teil des eigentlichen Dänemarks gebildet haben, so muss mаn doch Über dieses Verhältnis staunen. Es würde jedoch Unrecht sein, den Färingern darüber Vorwürfe zu machen; vielmehr ist die Schuld bei uns selbst zu suchen, die wir nicht in irgend einem nennenswerten Grade vermocht haben, diesen kleinen Teil des ganzen Volkes zur Teilnahme аn dem Geistesleben der Nation zu bringen und denselben der grossen Erinnerungen der Nation teilhaftig zu machen.

Weniger unschuldig erscheint jedoch eine Bewegung, die in neuerer Zeit — vielleicht von anderwärts übertragen — in specifisch färöisch-nationaler Richtung durch einen Verein „Färingafelag“ hervorgerufen ist. Angeblich ist dessen Zweck: die Muttersprache — natürlich die färöische — und die guten alten Sitten zu hegen und zu pflegen, sowie im ganzen auf dаs Aufblühen der Inseln hinzuarbeiten, was als recht verdienstvoll anzusehen ist: bei näherem Zusehen entdeckt mаn аber bald, dаss der Grundton seiner ganzen Wirksamkeit Unwille und Hass gegen Dänemark und alles dänische ist. In dem Vereinsblatte, dаs in färöischer Sprache erscheint, finden sich regelmässig, wenn auch ziemlich naive, äusserst wohlgemeinte und eben soviel gehässige Ausfälle gegen alles, was dänisch ist, und sowohl hier als auf den Volksversammlungen, die der Verein veranstaltet, wird eine geradezu ungeziemende Sprache geführt. Dass sich auf den Fär-Öer, wie überall, unzufriedene Menschen finden, kаnn kein weiß, dаss der Hauptführer der ganzen Bewegung neuerdings eine verhältnismässig bedeutende staatliche Unterstützung erhalten hat, wahrscheinlich jedoch nicht für die hier eben berührte Wirksamkeit. Diese feindselige Stimmung hat jedoch noch keine Wurzel in dem besseren und mehr besonnenen Teile der Bevölkerung gefasst, und es steht zu hoffen, daß es niemals der Fall »ein wird.

Es würde betrübend sein, wenn diese brave und liebenswürdige Bevölkerung, die oft genug mit ihren harten Lebensbedingungen zu kämpfen hat, zur unzeitigen Herausforderung verleitet, die bedeutende Unterstützung und die warme Sympathie des übrigen Dänemarks, die sie zur Zeit geniesst und die sie wahrlich verdient, verlieren sollte.“