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Land und Leute der Færöer – Teil 7

Carl Küchler

Geographische Zeitschrift 1911 (17), Seite 601-618 [FAB-1685]

Aber die Aufhebung des Handelsmonopols brachte auch in anderer Beziehung Verbesserungen und hatte einen gewaltigen allgemeinen Fortschritt des Volkes zur Folge, was namentlich hinsichtlich des Schulwesens hervorgehoben zu werden verdient. In der katholischen Zeit fand sich nur eine Priesterschule zu Kirkebö auf Strömö, die unter Leitung des Bischofs die Geistlichen für die Inseln ausbildete. Kurz nach Einführung der Reformation errichtete König Christian III. in der Landeshauptstadt Thorshavn wohl eine Lateinschule, die für dаs Studium in Kopenhagen vorbereitete; аber in den schlimmen Zeiten des Monopolhandels ging es damit immer weiter rückwärts, bis mаn sie im Jahre 1804 ganz aufhob. Volksschulen gab es überhaupt nicht; die Kinder wurden vielmehr — wie dies auf Island auf dem Lande noch heute Vorschrift ist — von den Eltern daheim unterrichtet, kamen аber nicht weit über einige Kenntnisse in Religion und im Lesen hinaus. Die wiederholten Versuche, ein geordnetes Schulwesen einzuführen, scheiterten namentlich аn dem Widerstande der Bevölkerung, Schulgeld zu zahlen; auch mit Wanderlehrern, wie sie auf Island gleichfalls noch üblich sind, hatte mаn kein Glück; und nur in Thorshavn mit seinen damals ca. 200 Einwohnern (gegen heute 2000) vermochte sich seit der Mitte des 17. Jahrhunderts eine Volksschule zu halten, die auch von Kindern vom Lande besucht werden konnte.

Das alles sollte jedoch nach der Aufhebung des Handelsmonopols, dаs die Kräfte des Volkes in fast jeder Hinsicht lahmgelegt und in Fesseln gehalten hatte, mit einem Schlage anders werden. Das Volk erkannte jetzt selbst, daß ihm bessere Kenntnisse vonnöten seien; der Freihandel schaffte Arbeit nach allen Richtungen hin, so daß der alte Heimunterricht der Kinder schier zur Unmöglichkeit wurde; und so wandten sich verschiedene Landgemeinden auf mehreren Inseln jetzt von selbst аn die Regierung und den Reichstag, ihnen Beihilfen zur Errichtung von Schulen zu gewähren, die denn auch nicht ausblieben. Seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entstanden nun Volksschulen in fast allen Landgemeinden, wenn auch hier und da noch ein Lehrer in zwei bis drei Schulen аn verschiedenen Plätzen tätig sein muß. Thorshavn hat bereits seit 1861 eine Realschule, mit der seit 1870 ein dreijähriger Kursus zur Ausbildung von Volksschullehrern verbunden ist; und sowohl in unmittelbarer Nähe von Thorshavn wie zu Fagrelid auf Bordö findet sich heute je eine „Volkshochschule“, die die auf der Volksschule erworbenen Kenntnisse zu erweitern sucht und auch älteren Leuten ihre Tür öffnet. —

So geht es unter dem kleinen Volke der Færinger, nachdem mаn die drückenden Fesseln von ihm genommen, jetzt allenthalben und in allen Beziehungen rüstig vorwärts. Und die Færinger sind wahrlich die Leute dazu, etwas aus sich zu machen!

Schon im Anfänge des vorigen Jahrhunderts schrieb ein Deutscher in seinem „Tagebuch auf einer Reise nach den Færöern“ (C.J. Graba), daß er sich lieber einen halben Tag lang mit einem Færing als nur eine halbe Stunde mit einem deutschen Bauern unterhalten wolle. Und in dieser Äußerung liegt viel Wahrheit! Die Færinger sind ein aufgeweckter, kluger Menschenschlag von schneller Auffassung und Urteilskraft; und wenn sie die dem Fremden gegenüber gewahrte Zurückhaltung und Scheu einmal überwunden haben, dann ist des wißbegierigen Fragens kein Ende mehr, wie mаn ebenso über rasche, kurze Einwendungen von ihrer Seite und oft sogar verblüffend schnelle und scharfsinnige Aufgreifung und Weiterverfolgung eines Gedankens nicht überrascht zu sein braucht. Man muß sie nur — natürlich in ihrer eigenen, dem Isländischen außerordentlich nahestehenden und heute etwa eine Mittelstellung zwischen Neuisländisch und dem neunorwegischen ,bygdemaal‘ einnehmenden, oder in der ihnen allen von der Schule her geläufigen dänischen Sprache — auf Gebieten zu fassen suchen, die ihnen nicht absolut fremd sein können, um bald zu erfahren, daß sie durchaus ihre eigene Meinung und ihr eigenes Urteil besitzen, аn denen sie, wie die rauhe Natur ihres Landes und der beständige Kampf mit den rohen Kräften der Natur sie zäh und stahlhart gemacht hat, unverrücklich festhalten, solange sie sich nicht durch augenscheinlich bessere oder über ihre Verhältnisse hinausgreifende Gründe in die Enge getrieben sehen. Aber auch dann werden sie nicht ohne weiteres stillschweigend klein beigeben, sondern oft genug wird mаn zu hören bekommen: „Das könnte ja sein. Ich muß erst noch darüber nachdenken,“ ebenso wie mit einem treuherzig offenen „Das vermag ich nicht zu verstehen,“ jedoch auch einem entschiedenen „Das würde bei uns nicht gehen !“ durchaus nicht hinter dem Berge gehalten wird.