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Land und Leute der Færöer – Teil 4

Carl Küchler

Geographische Zeitschrift 1911 (17), Seite 601-618 [FAB-1685]

Unsere Kenntnis von den Færöern und die Geschichte ihrer Bewohner ist nicht alt, nicht viel älter als unsere Kenntnis und die Geschichte der Bewohner des fernen Island, obwohl die Færöer dem europäischen Festlande und den nordbritischen Inseln doch so viel näher liegen als dieses. Und wie wir schon gehört haben, sind es nicht Germanen gewesen, deren Nachkommen die heutigen Færinger doch sind, von denen die einsamen Eilande zu allererst entdeckt und besiedelt wurden, sondern vielmehr Kelten aus dem westlichsten Europa, während die Germanen erst ungefähr einhundert Jahre später dorthin kamen.

In dem lateinisch geschriebenen Werke ,De mensura orbis terrae‘ des irischen Mönches Dicuilus vom Jahre 825, dаs auch für die älteste Geschichte Islands von Wert ist, findet sich ein Bericht, daß in dem nördlich von Britannien gelegenen Meere viele Eilande lägen, die mаn von den nordbritischen Inseln aus in zwei Tagen erreichen könne, wenn mаn mit vollen Segeln und günstigem Winde nur immer geradeaus hielte. Ein glaubwürdiger Mönch habe ihm selbst erzählt, daß er in zwei Tagen und einer Nacht in einem zweirudrigen Boote nach einer dieser Inseln gekommen sei. Viele von den Eilanden, berichtet Dicuil dann weiter, seien klein; fast alle seien sie durch enge Sunde voneinander geschieden; und etwa hundert Jahre lang wären sie von einer Anzahl Einsiedler bewohnt gewesen, die von Irland aus dorthin gesegelt seien. Wie sie аber vordem seit Erschaffung der Welt einsam und unbewohnt da draußen in dem weiten Weltenmeere gelegen hätten, so seien sie auf Grund der Einfälle normannischer Wikinger auch jetzt wieder von diesen Einsiedlern verlassen und nur noch von zahllosen Schafen und unzähligen Seevögeln allerlei Art bevölkert.

Nach diesem Berichte Dicuils, der schließlich hinzufügt, daß er dieser Inseln noch in keinem Werke irgend eines Schriftstellers Erwähnung gefunden habe, läßt sich mit Sicherheit schließen, daß keine andere Inselgruppe von ihm gemeint sein kаnn als die Faæröer, und daß darum jene irischen Einsiedler, die ihre im Ausgange des 7. und Anfang des 8. Jahrhunderts von nordischen Seeräubern arg heimgesuchte und verheerte südlichere Heimat verließen, etwa um dаs Jahr 725 nach den Færöern gekommen sein müssen. Sie sind es jedenfalls auch gewesen, welche u. a. die Schafe mitbrachten, die sich im Verlaufe des Jahrhunderts ihrer Ansässigkeit so vermehrten, daß Dicuil ihrer neben den unzähligen Seevögeln besonders Erwähnung tut; und wenn sie nach Dicuils Bericht schließlich im Anfänge des 9. Jahrhunderts vor den auch ihre neue Heimat heimsuchenden Wikingern flüchten mußten, so stimmt dies durchaus mit anderen Quellenberichten überein, nach denen wir annehmen dürfen, daß die nordischen Seeräuber um dаs Jahr 800 auch nach den Færöern kamen, um, wie allenthalben in Europa, so auch hier zu rauben und zu plündern.