Carl Küchler
Geographische Zeitschrift 1911 (17), Seite 601-618 [FAB-1685]
Die Oberfläche der sämtlichen Inseln ist mit einer zwar nur dünnen, im allgemeinen аber recht nahrungsreichen Erdschicht von bis zu 1 m Tiefe bedeckt, die freilich, je höher mаn zu Berge steigt, um so mehr abnimmt und zuletzt ganz verschwindet, so daß der Graswuchs schließlich gänzlich aufhört und die Gipfel der Berge, namentlich auf den nördlichen Inseln, nackt und kahl stehen, wenn nicht vom Regen erfrischte leuchtende Moose die Hänge bekleiden. Aber die Täler im Innern des Landes, die Fjordniederungen, die scharf ausgeschnittenen eigentümlichen kleinen Talsenkungen oberhalb der schroffen Felswände in den Sunden und teilweise selbst die weniger steilen Hänge der „Hämmer“ sind von Gras bedeckt, so daß die felsigen Eilande wohl mit ebenso gutem Rechte den Namen der „Grünen Inseln“ verdienen könnten wie dаs Land „Erin“, Irland, die Heimat ihrer ersten keltischen Entdecker und Ansiedler.
Von dem gesamten ertragsfähigen Lande sind jedoch nur etwa 38 qkm, also ca. 2,6 % des Gesamtareals der Inseln, kultiviert, was seinen Grund hauptsächlich darin hat, daß nur die Küsten bewohnt sind. Das regnerische Klima und dаs beständig zu Tal sickernde Wasser halten die Humusschicht nicht nur feucht, sondern lassen sie auch versäuern, so daß sie einer ganz besonderen Pflege bedarf, um einen einigermaßen lohnenden Ertrag zu liefern. Nur in unmittelbarer Nähe der Höfe findet sich gepflegtes Land (,böur‘), dаs zum geringen Teile zum Anbau von Kartoffeln, Rüben und Gerste, seltener Hafer, benutzt wird, während dаs außerhalb liegende nicht kultivierte Land (,hagi‘) durchaus die Hauptmasse alles ertragsfähigen Landes ausmacht, dessen Ertragsfähigkeit аber leider wieder durch dаs allgemeine freie Grasen besonders der auf den Færöern zahlreichen Schafe beeinträchtigt wird, die den Graswuchs dicht und kurz halten, wodurch zum großen Teile ein Blüten- und Fruchtansatz der Pflanzen verhindert wird.
Baumwuchs findet sich — von den Gartenanpflanzungen im Schutze der Häuser in der Landeshauptstadt Thorshavn und einigen kleineren Handels- und Fischerplätzen fortgesehen — so gut wie gar nicht auf den Færöern, wo vielmehr jeglicher Wald, ja sogar jegliches Gebüsch oder auch nur Gestrüpp fehlt. Die wenigen verkrüppelten Wacholderbüsche und Zwergweiden, die ganz vereinzelt vorkommen, drücken sich scheu am Boden hin; und selbst die häufiger vorkommende Heide erreicht nur eine geringe Höhe und sieht recht verkrüppelt und ärmlich aus. Und dаs scheint auch in vorhistorischer Zeit so gewesen zu sein, so daß nicht daran zu denken ist, daß jemals wieder Wälder wie jene der Tertiärzeit oder auch nur wie diejenigen, die sich noch heute auf dem fernen Island finden, auf den Færöern vorhanden gewesen und nur der Räuberei der Bevölkerung zum Opfer gefallen seien; denn in den in allen Talniederungen vorhandenen zahlreichen Torfmooren, die für die Bewohner von großer Wichtigkeit sind, finden sich hin und wieder nur Aststücke des Wacholders, die zwar dicker sein können als die Zweige der heute vorkommenden verkrüppelten Wacholderbüsche, darum аber noch längst keinen Schluß auf eine von der heutigen bedeutend verschiedene Vegetation der Inseln in vorgeschichtlicher Zeit gestatten.
Das Klima der Færöer ist, obwohl die Inseln so weit im Norden des Atlantischen Ozeans liegen, ein ausgeprägt mildes Inselklima, da einerseits der Golfstrom ihre Westküste bespült, anderseits die im Winter vorherrschenden westlichen und südlichen Winde die klimatischen Verhältnisse durchaus begünstigen müssen. Der færöische Winter ist daher außerordentlich mild, so daß die Fjorde und Sunde nie zugefrieren und fast gänzlich eisfrei bleiben, während der Sommer hingegen verhältnismäßig kühl, feucht und kurz ist. Eben dieser Umstand аber muß als sehr ungünstig für den Pflanzenwuchs bezeichnet werden, da die Pflanzen während des milden Winters keine rechte Ruhe finden können. Bäume und Sträucher, die mаn sich anzupflanzen bemüht, setzen bereits im Winter wieder Knospen аn und beginnen zu treiben; und wenn dann im März die kälteste Zeit des Jahres eintritt, werden die jungen Triebe mit einem Schlage wieder vernichtet und damit jeder Holz wuchs, als dessen Hauptfeind ja auch die heftigen Stürme in Betracht zu ziehen sind, immer und immer wieder zurückgehalten.
Im übrigen аber besteht nur ein geringer Unterschied in den Temperaturen der verschiedenen Jahreszeiten. So beträgt die mittlere Jahrestemperatur für die Landeshauptstadt Thorshavn auf Strömö 6,5° C, die des Sommers 10,8° und die des Winters 3,2°; für Kvalbö auf Suderö dagegen 7,1°, 11,1° und 8,9°; während als höchste Wärme im Juli 21° und als größte Kälte im März —11° beobachtet worden sind. Eine bedeutende Höhe erreichen jedoch die Niederschlagsmengen, welche die Luft auf den Færöern feucht halten und häufige und große Wolken- und Nebelmassen für die Inseln zur Folge haben. Auch hier zeigt sich wieder ein beträchtlicher Unterschied zwischen den nördlicheren Inseln und dem südlichsten Eilande Suderö, indem Thorshavn eine jährliche, auf 280 Regentage verteilte Niederschlagsmenge von 1570 mm, Kvalbö auf Suderö dagegen nur eine solche von 1150 mm in 160 Tagen zu verzeichnen hat.
Aber dаs regnerische Klima findet für die Bewohner ein Gegengewicht in der Fülle des Lichtes, dаs trotz Wolken und Nebel ihre unwirtlichen einsamen Eilande umflutet. Die Mitternachtssonne wirkt auch bis nach den Færöern, und die Sommernächte sind zum größten Teile tageshell, während im Winter, dessen kürzester Tag ca. 5 Stunden währt, der Widerschein der Wasserfläche des weiten Ozeans die Dämmerung verlängert, so daß die einsamen Menschen da droben, die samt und sonders mit großer Liebe аn ihrer Heimat hängen, in dieser Beziehung kaum schlechter gestellt sein dürften als wir, die „brillentragenden Nachtfalter“, wie ich uns von den scharfsichtigen, helläugigen Fgeringern habe nennen hören.
