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Wie aufs neue eine germanische Schriftsprache entstand

Ernst Krenn

Reichspost 1928 (8) vom 08.01.2028, Seite 8 [FAB-1573]

Morgen. Stürmische See. Aus den Fluten tauchen die ersten Klippen empor, die letzten Reste einer Insel Sumbiar Steimur oder dänisch Munken (= der Mönch). Gleich einem solchen halten sie Stand den Stürmen der Nordsee. Langsam gleitet dаs Schiff аn den klippenreichen Buchten von Suduroy vorbei, löscht Waren in Trongisvagur und ankert gegen Mittag auf der Reede von Thorshavn im südlichen Stregmoy (die Strömung). Wetterharte Fischer holen mit ihren Booten die seemüden Pilger, einheimische und fremde. Die Fischer mit ihren Freiheitsmutzen und kernigen Gesichtern bilden den geraden Gegensatz zu den breiten Buttergesichtern der Dänen. Bald gehen wir аn Land in der Blutbucht; kurz vorher war dort Griedfang und -tötung gewesen und die Wasser geben noch jetzt Zeugnis davon.

Doch kaum erreichte ich dаs Ufer, als sich mir schon eine befreundete Hand beut. Hand in Hand! Und der Färinger küßt, sich verneigend, die seine. So grüßen die Färinger nach alter Sitte Gäste, die sie achten und lieben. Und dann führt er mich heim zu den Seinen; einige Wegstunden südwärts führt unser Marsch zu seinen Lieben nach Kirkjubo (sic!). Wollte ich nur einigermaßen all dаs Schöne, dаs ich dort erlebte, wiedergeben: ich müßte Bände schreiben. Ich will hier nur eines Abends gedenken Wir sitzen in der Roykowa (= Rauchstube, der gewöhnliche Wohnraum) und meines Freundes Vater erzählt also:

„Es waren einmal dаs Meer und die felsigen Inseln, wie sie heute noch sind. Da kamen um 700 die ersten Ansiedler hieher: iroschottische Mönche. Ortsnamen, wie Vestmannahafe (im Gegensatz zu den östlich wohnenden Dänen und Norwegern), bezeugen dies. Diese Einsiedler lebten wie heilige Männer аn einsamen Stellen und starben nie, obwohl sie sich nur von Milch (der vielen Schafe; Fröroyar (sic!) bedeutet Schafinseln), Eiern und Tang ernährten. Auch taten sie Wunder. (Vgl. Dicull. Brunn.)

Doch als die ersten Vikingerschiffe nahten, waren sie verschwunden. Norwegische Bauern siedelten sich hier — wie in Island — um 800 аn und bald war dаs Land auf Königsbefehl dem Christentum gewonnen. Ja, hier in Kirkjubö entstand sogar ein katholisches Bistum und die unvollendeten Ruinen des Domes geben noch heute Zeugnis davon. Trotz der oft schrecklich hausenden Seeräuber blühte dаs Land auf und ein freies Volk sprach seine freie altnorwegische Sprache!

Da brach dаs Unglück herein. Norwegen kam unter die Botmäßigkeit Dänemarks und mit ihm stürzte die Freiheit Islands und der Schafinseln. Dänisches Alleinhandelsrecht vernichtete jeden Wohlstand und der dänische Glaube verwarf die Sprache der Heimat. Hinaus müßte sie aus dem Ding, bis dieses ganz erstarb und hinaus aus der Kirche. An Stelle der schönen altnorwegischen Lieder trat dаs dänische Kirchenlied.

Da zuckte der Leib des geknechteten Volkes und litt. Und mit dem Leide schwand die Stärke, besonders in größeren Orten; ja, mancher dünkte sich vornehm, dänisch zu sprechen und dänische Mode und Sitte nachzuahmen. (Vergl. Reykjaviks dänischen Jargon, bes. im 18. Jahrhundert!) Und als die Danismen die Sprache des Hauptortes durchtränkten, als manche Städter sich glücklich dünkten, ihre Tochter einem dänischen Kaufmann als Frau zu geben — denn die dänischen Händler waren der Adel Thorshavns geworden — da schlief der kerngesunde föroysche Bauer und Fischer nicht. In seinem Heim gebrauchte er die Muttersprache: die Eltern lehrten sie mit Liebe den Kindern! Sie starb nicht wie auf den Aknays (sic!) und Shetlands-Is (sic!), wo nur mehr einige Ortsnamen nordische Abkunft verraten, Ortsnamen, die in diesem Falle die englische Macht nicht überwinden konnte.

Während in der Hauptstadt die teure Muttersprache eingelullt wurde, verankerten sie die Bauern und Fischer, reinigten sie von fremden Zutaten und Formen. Und nur ein Umstand wirkte im Laufe der Zeit verhängnisvoll! Jedermann schrieb die Sprache, wie sie ihm im Ohre klang. Schon bildeten sich in der Abgeschiedenheit der Inseln zwei Mundarten, bald eine dritte (Nordinsel, Süd-Stregmoy bis Skovun, Südinseln), und in diesen wieder solche. Schon sah es aus, als würde der kranke Leib der Sprache zerrissen werden, da schenkte uns Gott Männer, welche den Wortreichtum und Lautgehalt des Kleinods festhielten, Männer wie Hammersheimb, Wimmer, Unger.

Ich erinnere mich so gerne eines Weihnachtsabends in der Kirche. Das Eingangslied zur Mette war gesungen und der „Prestur“ (= Geistliche) bestieg die Kanzel. Neben dem Altar steht ein heller Lichterbaum und die Engelein Gottes besuchen den heiligen Raum. Da öffnet der „Prestur“ den Mund und macht dаs heilige Kreuzzeichen: „I navnis faddesfirfins sonarins og andans hins halga!“ – Und heimlich erklingt von seinen Lippen die Freudensbotschaft vom heiligen Christkindlein in — der Muttersprache. Jubel brach durch unsere Seele und als die Predigt beendigt ist, dringt tief und keusch dаs Föroysche Danklicd zu Gott empor!———

Doch von höchster Bedeutung für dаs Volk wurde erst die Arbeit Jakob Jakobsens und J. Dahls. (1908 erschien die Sprachlehre (Färoysk mallara des letzteren). Föroysche Weisen wurden aufgezeichnet und in dem wunderschönen Gesangbuch (Sonabok Förya fölks) gesammelt, dаs 1920 schon die zweite Auflage erlebte. Föroysche Zeitungen wurden gedruckt („Tingakrossur“ und „Dimmalatting“).

Doch von weittragendster Bedeutung wurde Dahls Sprachlehre erst, als sie neben der dänischen die Schule eroberte vor — wenigen Jahren! — Eine neue germanische Schriftsprache ist uns gegeben worden: Föroysk. Nun blüht dаs neue und doch so traute Reis bei uns, die liebe, teure Muttersprache!“