Von Prof. DDr. Edward Lehmann.
Meereskunde 1913 (7/11), Seite 1 – 32 [FAB-1769]
Arm ist der Färing gerade nicht. Als tüchtiger Fischer und Vogelsteller, als Schiffer und Kaufmann hat er immer seinen Verdienst und seine Nahrung; als Mitglied einer halb kommunistischen Gesellschaft, wo die Weide größtenteils Gemeingut ist, als Bürger im dänischen Staat, der mit beinahe zu runder Hand den unteren Klassen Unterstützungen gewährt und diese fernen Mitbürger wenig mit Steuern belastet, sie zollfrei und militärfrei macht, genießt er Vorteile, um die ihn der kleine Mann in den meisten unserer Länder beneiden kann. Jedoch führt er ein dürftiges Leben; er ist auf gewisse Lebensbedingungen beschränkt, die sich schwierig erweitern lassen, und obgleich ein Seemann, ist er gewöhnlich аn seine kleine Lokalität gebunden.
Schon seine Behausung ist eine sehr enge – weil es den Inseln аn Baumaterial fehlt, dаs Holz muß er von Norwegen herholen und baut deshalb kleiner, als in Norwegen oder in Finland bei ähnlicher Lebenslage gebaut werden würde. Der Basalt der Felsen ist für festeres Bauwerk unbrauchbar und wird heute meist nur zum Dach, zum Zaun oder Deich verwendet, früher allerdings zum Aufbau des ganzen Hauses, dаs dann inwendig mit Brettern bekleidet war. Ohne Schönheit ist dаs Häuslein аber nicht, wenn nur im älteren Stile gehalten, einfach zusammengezimmert und rot geteert, mit kleinen weißen Fenstern und, wie häufig der Fall, dаs ziemlich flache Dach mit grünem Grastorf bedeckt. Wo besser gebaut wird, tritt zu leicht die charakterlose Imitation des steinernen Hauses hervor; oder es wird gar mit von weither geholtem Granit und Schiefer gearbeitet, was in diesem Klima kalt und hart wirkt und in der Tat auch ein schwer zu heizendes Haus gibt.
Die alten, engen Straßen Thorshavns sind viel wohnlicher, auch in freier Natur verschmilzt ein derartiges primitives Haus viel besser mit der Landschaft, steht wie aus dem Boden gewachsen.
Das altmodische Haus bestand aus zwei Stuben, der „Rauchstube“, so genannt, weil ursprünglich da durch ein Loch im Dache dem Rauch des Herdes Ausgang gegeben wurde, und der feineren „Glasstube“. In dieser etwas größeren Räumlichkeit sammeln sich die Färinger häufig in den langen Winterabenden zum Tanz und Vergnügen. Tanzen tun sie außerordentlich gern, und zwar nimmt die ganze Gesellschaft, nicht nur die Jungen, am Tanze teil; auch der Pastor muß mittanzen, wenn er zugegen ist.
Dies Tanzen ist von dem unserigen heutzutage weit verschieden und eröffnet uns den Einblick in die Tänze des Mittelalters. Es sind alte Chorreigen, die hier aufgeführt werden, indem sich alle die Hände halten und sich in verschlungenen Reihen hin- und herbewegen und dabei ihre alten Lieder singen. So wurde in den ritterlichen Sälen des Mittelalters auch zum Tanze gesungen oder viel lieber zum Gesange getanzt. Die Festtrachten, die die Färinger dabei tragen, erinnern auch аn die prächtigeren Kleider der alten Zeiten. Die einfache braune Wolle der stramm sitzenden Männertracht muß dann dem blauen Wams mit den Silberknöpfen weichen. Noch mehr verwenden die Frauen auf ihre Kleider und Tücher, die in Stoffen und Farben prangen. Im Alltäglichen sind sie sehr einfach, gewöhnlich in Braun und Schwarz gekleidet.
So vertreibt mаn die lange Winterzeit in alter naiver Weise; die volkstümliche Unterhaltung erweist sich mächtig genug, um – neben dem kirchlichen Leben – die geistigen Bedürfnisse einer abseits gelegenen Bevölkerung zu befriedigen. Früher griff mаn auch reichlich zu den geistigen Getränken, um die Geselligkeit zu erheitern oder einsame Stunden im Hause oder Boot zu vertreiben. Die Bevölkerung hat аber selbst dаs Gefährliche аn diesem Ausweg eingesehen und hat mit größter Energie unter der Leitung der Pastoren eine Abstinenzbewegung zum Sieg gebracht, die gerade in diesen letzten Jahren zu einem von ihrem eigenen Parlament angeregten gesetzlichen Verbot des Alkoholverbrauchs auf den Inseln gefuhrt hat.
Uberhaupt ist der Färing ein ernster Mann von strengen Sitten; sein Charakter wie seine Gesichtszüge sind denen des Norwegers ähnlich; nur ist er offener und kindlicher; eine gewisse Schwärmerei entsteht leicht bei den Menschen des hohen Nordens, wohl auch unter Einfluß der hellen Nächte, dieses prächtigen Ersatzes für dаs im Winter fehlende Licht, den die Natur ihren nördlichen Kindern bietet, und die durch ihr wunderliches Helldunkel bald eine heitere, bald eine romantische Stimmung erwecken.
Die Arbeit des Färings besteht überwiegend in der Ausnutzung seiner unmittelbaren Lebensbedingungen – einer Praxis, die immer als ein großes Glück für ein Volk betrachtet werden muß. Es vollzieht sich dadurch eine heilsame Anpassung аn die Umgebungen, und es bilden sich feste Traditionen, durch die die Technik der verschiedenen Beschäftigungen einen Höhepunkt erreicht.
Selbst dаs Schaf, dаs wichtigste Haustier, nach dem die Inseln ihren Namen haben, gehört sozusagen zu ihrer Natur. Die zahlreichen Schafe führen ein ganz freies Leben – Herden oder Hirten gibt es nicht; nur wenn geschlachtet werden soll, oder zur Zeit der Schafschur, oder wenn die schlechte Jahreszeit droht, werden sie aufgesucht und eingetrieben. Ihre Wolle ist so wichtig wie ihr Fleisch. Neben den warmen braunen Kleidern, die sich der Färing aus der Wolle macht, wurden auch früher als Hausindustrie grobe Überzugshemden verfertigt, die einen Exportartikel bildeten und unter dem Namen „isländische Hemden“ bei Seeleuten und Landarbeitern in Dänemark sehr beliebt waren. Heute werden viele Schaffelle für den Export präpariert; besonders die sonst in der Welt seltenen, braun- und weißflockigen sind eine gute Handelsware. Als Fußteppich sind sie sehr warm und beinahe unverwüstlich.
Das Schaffleisch verstehen die Färinger in einer besonderen Weise durch Austrocknen und zeitweiliges Vergraben ohne Salz oder sonstige Chemikalien zu präparieren. Dieses sogenannte „Skärpeköd“ ist sehr haltbar und schmeckt nicht übel (wenn mаn den ersten qualmigen Geschmack überwunden hat, etwa wie ein geräuchertes Filet) – und was für die Fischer und Schiffer von Wichtigkeit ist, die es für einen dauernden Aufenthalt auf der See mitnehmen: mаn erleidet keinen Durst nach dessen Genuß.
Auch die Kühe gedeihen ganz gut auf den Inseln, und moderne Molkereien nach dänischem Muster sind in letzter Zeit eingerichtet worden. Die Rinderzucht tritt aber, mit der Schafzucht verglichen, in den Hintergrund.





