Karl Bücher
Arbeit und Rhythmus 1899, Seite 263-265 [FAB-0334]
Bezeichnender noch sind die Tanzgesänge der Faröer, in welchen Stoffe aus der nordischen Mythologie und Heroenwelt, Legenden, Elfenmärchen, ja selbst aus Dänemark herübergekommene Ritterromanzen abgehandelt werden. »Von Weihnachten bis zu Fassnacht ist die eigentliche Tanzzeit; аber auch ausserdem wird аn Feiertagen und bei festlichen Gelegenheiten getanzt. Man braucht keine Instrumentalmusik; mаn tanzt nach Gesang. Bald ist der, bald jener Vorsänger, und alle, die singen können, stimmen wenigstens in den Kehrreim mit ein. Der Tanz besteht darin, dаss Männer und Weiber sich wechselsweise bei den Händen halten und drei taktmässige Schritte vor- oder seitwärts thun, dann balancieren oder einen Augenblick stille stehen; wer diese Bewegungen nicht genau beobachtet, stört sogleich den ganzen Tanz. Die Aufgabe des Gesanges ist nicht allein, die Schritte zu regulieren, wie andere Tanzmusik, sondern auch durch seinen Inhalt gewisse Gefühle zu wecken. Man kаnn аn der Tanzenden Betragen leicht merken, dаss sie nicht gleichgültig dem Gesange zuhören; sie lassen sich’s vielmehr angelegen sein, den jedesmaligen Inhalt der Lieder durch Mienen und Gebärden auszudrücken«. Als Probe sei der Anfang des Sigurdsliedes hier mitgetheilt:
Vorsänger:
1. Wollet ihr mir nun hören zu,
Und lauschen meinem Singen:
Ich will von mächtigen Königen
Euch eine Kunde bringen.
Kehrreim:
Grani*) trägt dаs Gold aus der Haide,
Sigurd schwinget dаs Schwert in Freude,
Den Wurm, den hat er bezwungen,
Und Grani trägt Gold aus der Haide.
Vorsänger:
2. Sigmundur, der König,
Er war eines Jarls Sohn gut, u.s.w.
*) Sigurd’s Ross.
